Drei Verbände geben Strom

Schweizer Konferenz E-Mobilität

Drei Verbände geben Strom

16. Juni 2023 agvs-upsa.ch – Bei der ersten Schweizer Konferenz Elektromobilität zeigten Auto-Schweiz, Swiss eMobility und der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen auf, wohin die Elektroreise gehen soll. Dabei wurden viele gemeinsame Interessen deutlich, aber es stellte sich auch die Frage, wer den Wandel bezahlen muss.

artikel_11.jpgTeilnehmende an der Konferenz Elektromobilität begutachten E-Fahrzeuge. Fotos: AGVS-Medien

jas. Die Schweizer Konferenz Elektromobilität soll zu einem nationalen Branchentreff für die Elektromobilität werden. Dies machten Andreas Burgener, Direktor Auto-Schweiz, Krispin Romang, Geschäftsführer von Swiss eMobility, und Michael Frank, Direktor Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE), gleich zu Beginn der ersten Austragung klar. Denn Elektromobilität müsse gemeinsam, sektorübergreifend und ganzheitlich betrachtet werden.

Eine kleine Spitze gegen die Autoindustrie gleich zu Beginn der Premiere gab es von Romang trotzdem: «Wir wussten schon vor zehn Jahren, dass die Elektromobilität kommt. Und die Elektrifizierung schreitet in der Mobilität weiter rasant voran.» Auto-Schweiz-Direktor Burgener erwiderte mit einem Schmunzeln: «Die Hardware – sprich die Elektroautos – sind da, und die Palette wird laufend ausgebaut. Aber es gibt eben dann doch noch einige Hemmnisse bei der Nutzung. Wie kann ich einen Ladevorgang freischalten? Wie viel kostet das Laden? Und ist die gewünschte Ladestation wirklich frei?» Für all diese Punkte brauche es Lösungen. Frank ergänzte: «Die Infrastruktur ist grundsätzlich vorhanden, aber es braucht durch die sich verändernden Nutzungsbedürfnisse auch andere Schnittstellen, daher müssen wir die Infrastruktur anpassen.»

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Claudia Meyer von Renault Suisse in Diskussion mit Christoph Schreyer, Leiter Sektion Energieeffizienter Verkehr beim Bundesamt für Energie (BFE).

Gemeinsam E-Mobilität voranbringen
Die erste gemeinsame Konferenz zur Elektromobilität dieser drei wichtigen Player war dabei ein wichtiges Signal, dass die Verbände in diesem Bereich gemeinsam vorangehen wollen. Die Themenvielfalt reichte von Fahrzeug- und Batterietechnik über die Ausgestaltung des Stromnetzes und der Ladeinfrastruktur bis hin zum Einsatz von E-Fahrzeugen in Logistik-Grossflotten. Und bis zu spannenden Podiumsdiskussionen, die locker mit einer «Arena»-Sendung mithalten konnten.

artikel_16.jpgThomas Marti erläutert die Bedeutung der Versorgungssicherheit.

Zum Auftakt erklärte Thomas Marti, Bereichsleiter Netze und Berufsbildung VSE sowie Projektleiter Energiezukunft 2050, wie wichtig für die Schweiz beim Thema Elektromobilität, aber vor allem auch bei der Energiewende und Versorgungssicherheit die Integration in den europäischen Strommarkt sein wird. Gemäss dem VSE-Experten könnten wir hierzulande die Versorgungsicherheit und die Netto-Null-Ziele bis 2050 zwar gemäss der aufgestellten Szenarien durchaus erreichen, aber die Frage sei, zu welchen Kosten und mit wie viel Flexibilität. Klar sei, dass bis zu 34 TWh an neuer und erneuerbarer Energieproduktion zugebaut werden müssten und sogar sogenannte CCS-Anwendungen – Carbon Capture and Storage, also Entzug von CO2 aus der Atmosphäre – für rund 3 bis 3,5 Milliarden Franken pro Jahr notwendig seien.

artikel_18.jpgKrispin Romang, Geschäftsführer von Swiss eMobility, im Austausch mit Olivier Fantino, Geschäftsführer Strasseschweiz (rechts).

E-Autos liefern mehr Flexibilität
Michael Auer, Leiter Smart Grid Solutions beim Energieversorger EWZ aus Zürich, erläuterte danach, wie wichtig ein intelligentes Stromnetz für einen Verteilnetzbetreiber ist, aber eben auch ein Ausbau, um die höheren Energiespitzen im Netz besser glätten und koordinieren zu können. «Mit einem Lademanagement bei der Elektromobilität ist der Netzausbau klar kostengünstiger, da wir durch Stromtarife und Anreize die Stromspitzen verschieben können», so Auer. Dafür müssten die E-Autonutzer aber sensibilisiert werden, denn eine aktive Steuerung der Flexibilität durch den Verteilnetzbetreiber etwa über bidirektionales Laden sei noch Zukunftsmusik.

artikel_19.jpgProfessor Andrea Vezzini vom BFH-Zentrum für Energiespeicherung in Biel wies auf die Vorteile des Batterierecyclings hin.

Pilotprojekt SunnYparc
Ein Beispiel, wie dies im kleinen Format (Mikrogrid) funktionieren kann, verriet Geoffrey Orlando von Planair SA. Er begleitete das Pilotprojekt SunnYparc in Yverdon-les-Bains VD, wo das Zusammenspiel von PV-Anlage, Ladestationen für 250 E-Fahrzeuge und sogar Vehicle-to-Grid-Ladepunkte/-Fahrzeuge sowie einer lokalen Pufferspeichermöglichkeit beim Batteriehersteller Leclanché bereits umgesetzt wird. Der Mikrogrid soll mit anderen ähnlichen Anlagen innert fünf Minuten 1 MW für eine Dauer von vier Stunden ans Netz liefern und diesem so mehr Flexibilität und Stabilität verleihen.

Nach einem Podium zu Investitionsmöglichkeiten im Elektromobilitätsektor zeigte Professor Andrea Vezzini vom BFH-Zentrum für Energiespeicherung in Biel, wieso man – auch als Garagist – nicht auf eine «Wunderbatterie» warten solle. «Die nächsten zehn Jahre werden noch von Lithium-Ionen-Batterien bestimmt», ist er sich sicher. «Entscheidend ist, dass wir nicht nur die Lebensdauer der Batterien erhöhen, indem wir sie beispielsweise nur bis 80 Prozent laden, was zu einer 20 Prozent längeren Lebensdauer führt», so Vezzini, «sondern auch Kreislaufmodelle für die Nutzung von Batterien aus der Elektromobilität entwickeln.»

artikel_9.jpgPeter Schmid von der Amag beleuchtete die Herausforderungen bei der E-Mobilität aus der Sicht des Handels und des Garagisten. 

E-Mobilität aus Sicht des Garagisten
Peter Schmid, der seit 2021 das Kompetenz- und Beratungscenter The Square für neue Mobilität und Elektromobilität der Amag leitet, erklärte, dass die Elektromobilität noch kein Selbstläufer sei. «Die sogenannten Innovators und Early Adopters sind auf ein E-Auto umgestiegen, nun beginnt die Knochenarbeit», so Schmid, der vor allem beim hohen Anteil der Mieter, die nicht so einfach zu einer Ladestation für ihr E-Mobil kommen, eine Hürde sieht. «Wir brauchen in der Schweiz ein Recht auf Laden. Zudem kommt die Einführung der vierprozentigen Importsteuer auf E-Autos zum falschen Zeitpunkt, und auch das Signal des Bundesrates, dass man bei Versorgungsengpässen E-Autos stilllegen will, war fatal.» Er forderte eine zuverlässigere Ladeinfrastruktur, Licht ins Dunkel der Ladetarife und machte der Autobranche klar, dass man für mehr Erfolg beim Thema Elektromobilität diese zur Chefsache machen müsse. Regelmässige Schulungen und Weiterbildungen seien genauso entscheidend wie das Angebot von Demo- und Ersatzfahrzeugen, damit die Garage künftig zum Thema alles aus einer Hand anbieten und kompetent zu Ladeinfrastruktur Auskunft geben könne.

artikel_13.jpgGLP-Nationalrat Jürg Grossen, SVP-Nationalrat Benjamin Giezendanner, Moderator Reto Brennwald, Renault-Chefin Claudia Meyer und Martin Schwab, CEO des Energieversorgers CKW (v.l.n.r.), diskutierten sehr rege.

Heisse Diskussion um Kosten
In einem Panel diskutierten Jürg Grossen, GLP-Nationalrat, Claudia Meyer, Managing Director Renault Suisse, Benjamin Giezendanner, SVP-Nationalrat, und Martin Schwab, CEO des Energieversorgers CKW, über die aktuelle E-Mobilitätspolitik. Ausser über Rahmenbedingungen, um eine nachhaltigere Energieproduktion zu erreichen, waren sich die Diskutierenden vor allem bezüglich der Kosten der Transformation bis 2050 uneins. Meyer erklärte: «Die Ziele sind klar. Wir von der Autoindustrie haben auch die technischen Lösungen, aber um keine CO2-Pönalen bezahlen zu müssen, muss ich als Importeurin Volumen zurücknehmen, was am Schluss den Garagisten trifft.»
 
artikel_6.jpgCaro de Brouwer, Director Network Development bei Fastned, zeigte, wieso es künftig auch reine Elektro-Raststätten braucht und wieso die Ladeinfrastruktur attraktiver und grösser gedacht werden muss. 

Sie plädierte für mehr Technologieoffenheit, genauso wie Giezendanner. «Als Transportunternehmer wird es schwer werden, denn E-Lastwagen sind drei- bis viermal teurer als ein Diesel-LKW. Zudem fehlt noch die Ladeinfrastruktur», so der SVP-Parlamentarier und Spediteur. «Wir sollten nicht nur auf Strom setzen und auch H2 und E-Fuels eine Chance geben.» Dem pflichtete sogar Jürg Grossen bei: «Bei gewissen Anwendungen macht es Sinn. Selbst das Reservekraftwerk in Birr könnte ja mit nachhaltigem Treibstoff betrieben werden.» Für den GLP-Nationalrat ist ausserdem klar, dass künftig auch Elektroautos etwas an die Nutzung der Strasseninfrastruktur beitragen müssen. 

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Im Rahmen der Konferenz wurde dem Kanton Zug – vertreten durch René Hutter – der «Goldene Stecker» für seinen höchsten Marktanteil an E-Autos verliehen: Krispin Romang, René Hutter, Michael Frank, Andreas Burgener und Reto Brennwald (v.l.n.r.).

Also gibt es auch hier zusätzliche Kosten, denn der Umbau des Stromnetzes, das – wie Martin Schwab erläuterte – auf Grossproduzenten wie AKW und Wasserkraft ausgerichtet sei, müsse auf dezentrale Produzenten von erneuerbaren Energien um- und auch ausgebaut werden. Daher warnte Benjamin Giezendanner: «Aktuell betragen die Energiekosten rund fünf Prozent des Einkommens, künftig muss man wohl mit 10 bis 15 Prozent rechnen!» Nicht gerade positive Perspektiven, aber vielleicht hat man nach der Abstimmung zum Klimaschutzgesetz und bei der nächsten Durchführung der Konferenz am 11. Juni 2024 bereits etwas mehr Klarheit, wer die Transformation bezahlen soll.

 
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