Agenturmodelle
Hersteller unterschätzen die Komplexität
4. August 2023 agvs-upsa.ch – Das Agenturmodell und seine Einführung beschäftigt die Garagisten in der Schweiz – und in ganz Europa. Advokat Tobias Treyer ist als Delegierter des AGVS im europäischen Verband Cecra und kennt die Herausforderungen auch auf europäischer Ebene. Im Interview gibt er spannende Einblicke zur Thematik Agenturmodell in Europa.
Advokat Tobias Treyer ist als Delegierter des AGVS im europäischen Verband Cecra. Foto: AGVS-Medien
srh. Die Schweiz ist mit der Herausforderung Agenturmodell nicht allein. Wie sieht die Situation in Europa aus?
Tobias Treyer: Sämtliche Hersteller, welche die Einführung der Agentur als neues Vertriebsmodell anstreben, planen dies jeweils für ganz Europa. Es betreffen die Änderungen und damit einhergehenden Herausforderungen folglich nicht nur die jeweiligen Marken-betriebe der Schweiz, sondern das gesamte europäische Vertriebsnetz. Entsprechend wichtig ist es, dass sich die nationalen Händlerverbände einer Marke europäisch koordinieren. Die Verhandlungskraft der gesamten europäischen Händlerschaft ist weitaus höher als die der einzelnen Länder.
Sie sind selbst aktiv bei den europäischen Diskussionen dabei. Wie läuft der Austausch zwischen den einzelnen Ländern?
Viele der betroffenen Marken sind in einem europäischen Händlerverband organisiert, in welchen jeweils Vertreter der nationalen Markenhändlerverbände delegiert werden. Diese europäischen Händlerverbände führen regel-mässige Meetings durch, im Rahmen derer sich die nationalen Händlerverbände intensiv aus-tauschen. Je nach Struktur des europäischen Händlerverbandes sind auch die nationalen Importeure wie auch Werksvertreter direkt in diese Meetings eingebunden. Eine Vorbildrolle nimmt hier der European Dealer Council der Volkswagenkonzernmarken ein. Dort nehmen an den Meetings sämtliche nationalen Importvertreter sowie die Verantwortlichen des Herstellers stets teil. Zudem gibt es diverse Arbeitsgruppen, in welchen sich die Vertreter der nationalen Händlerverbände, Importeure und Werksvertreter regelmässig über einzelne Themen vertieft austauschen, diskutieren und Lösungen suchen. Andere europäische Händlerverbände beispielsweise bilden kleinere Delegationen, welche nach den erfolgten europäischen Händlerverbandsmeetings namens der europäischen Händlerschaft die Gespräche und Verhandlungen mit den Werksvertretern führen.
Was können Sie über die Gespräche auf europäischer Ebene berichten – welche Problemstellungen werden verhandelt?
Vorab ist festzuhalten, dass sich leider nicht alle Hersteller davon überzeugen lassen, die grundlegenden, länderübergreifenden Fragestellungen zuerst auf europäischer Ebene zu diskutieren und so im Falle der Agentur einen europäischen Mantelvertrag auszuhandeln, bevor dieser Entwurf für das landesspezifische Finish der Importeurin und dem nationalen Händlerverband überlassen wird – aktuell nimmt leider BMW diese Haltung ein. In den aktuellen europäischen Diskussionen geht es insbesondere darum, die künftige Rentabilität der Agenten zu sichern und kartellrechtliche Risiken auszuschliessen. Es gibt unzählige weitere Probleme, z.B. wie und zu welchen Konditionen gelangen die Agenten an die Lea-singrückläufer und Eintauschfahrzeuge.
Gewisse Hersteller haben die Niederlande als Versuchsland gewählt. Weshalb genau da?
Es kann nur vermutet werden, dass ein kleiner, einfach strukturierter Markt in der EU mit einer überblickbaren Anzahl Marken-betriebe gesucht wurde, um die Agentur zu testen und Schlüsse daraus zu ziehen. Die Schweiz hätte im Hinblick auf die jährlichen Neuwagenimmatrikulationen eine ähnliche Grösse, gestützt auf die besonderen rechtlichen Rahmenbedingungen in der Schweiz kam resp. kommt unser Land glücklicherweise nicht als Testmarkt in Frage.
Die Schweiz ist bekanntlich nicht in der EU und hat auch deshalb gesetzlich teilweise eine andere Ausgangslage – oder versucht zumindest, diese zu schaffen wie beispielsweise mit den Motionen Gugger und Pfister. Welchen Einfluss hat dies auf die Verhandlungen und auch auf die Entwicklungen?
Der Umstand, dass die Schweiz besondere, von der EU abweichende rechtliche Rahmenbedingungen hat – so insbesondere die Kfz-Bekanntmachung für Handel und Aftersales resp. die betreffende, künftige Verordnung auf Basis der Motion Pfister – führt dazu, dass neue Verträge oftmals verzögert in der Schweiz umgesetzt werden, da die Vertragsentwürfe zuerst auf diese besonderen Rahmenbedingungen angepasst werden müssen. In den europäischen Gesprächen nimmt die Schweiz folglich meist eine Sonderstellung ein. Es wird jedoch bei vielen Marken herstellerseitig klar vermittelt, dass es für die Schweiz keine Sonderlösung gibt, sondern lediglich eine Adaption des Agenturvertrages an unsere rechtlichen Rahmenbedingungen.
Was können wir in der Schweiz aus Europa lernen?
Ich sehe es umgekehrt: Europa kann von der Schweiz lernen, wie man sich konsequent für die autogewerblichen Anliegen einsetzt. Heute noch schauen die Europäer neidisch auf unsere Kfz-Bekanntmachung, welche dank grossem Engagement des AGVS und seinen Partnerverbänden zweifach verlängert wurde und nun in eine Verordnung überführt wird.
Welche offenen Fragen gibt es auf europäischer Ebene – beispielsweise Stichwort Investitionen und Investitionsschutz?
Die Anzahl offener Fragen im Hinblick auf die Agentur und insbesondere Umsetzung des neuen Vertriebsmodelles in den einzelnen Ländern ist bei den meisten betroffenen Marken noch derart gross, dass sich die Frage nicht in vernünftiger Länge beantworten lässt.
Sie haben unlängst in einem Referat berichtet, dass ein Hersteller, der das Agenturmodell ursprünglich im Jahr 2023 einführen wollte, dies nun auf 2028 geschoben hat. Haben die Hersteller mit der Einführung eines solchen Systems einher-gehende Fragestellungen unterschätzt?
Meines Erachtens haben verschiedene Hersteller die Komplexität der Agentur im Hinblick auf die tatsächliche Umsetzung wie auch bezüglich der rechtlichen Fragestellungen massiv unterschätzt, wohl getrieben vom Wunsch, möglichst schnell den Endkundenpreis diktieren, die Marge der Agenten reduzieren und sich allenfalls auch zusätzliche Geschäftsfelder eröffnen zu können. Die Änderungen sind jedoch für die betroffenen Betriebe wie auch nationalen Importorganisationen derart umfangreich und gravierend, dass dies nicht kurzfristig umgesetzt werden kann. Ich bin auch davon überzeugt, dass einzelne Hersteller in der Umsetzungsphase arg ins Straucheln geraten, überrascht vom Umfang neuer Aufgaben und Arbeiten, die mit den Importeuren zusammen zu bewältigen sind.
Eine grosse Sorge der Garagisten ist, dass mit der Einführung des Agenturmodells auch das Aftersales- und das Occasionsgeschäft wegbrechen. Zwei Fragen hierzu: Wie sieht es erstens juristisch diesbezüglich aus und zweitens, welche Tendenzen sind hier europäisch erkennbar?
Das Occasionsgeschäft wird bei einzelnen Marken bereits intensiv diskutiert. In der Agentur ist der Hersteller/Importeur Vertragspartner des Endkunden im Neuwagenkaufvertrag, der Hersteller/Importeur kann somit künftig auch definieren, was mit den Leasingrückläufern und Eintauschfahrzeugen passieren soll. Dieses Geschäft war bislang den Markenbetrieben vorbehalten und für diese von grosser Wichtigkeit. Die Händlerverbände müssen sich folglich mit Händen und Füssen wehren, wenn die Hersteller/Importeure an diesem Geschäft künftig partizipieren wollen. Auch muss verhindert werden, dass aufgrund der vorab geschilderten neuen vertraglichen Ausgangslage auf den Werkstattbereich Einfluss genommen wird.
Advokat Tobias Treyer ist als Delegierter des AGVS im europäischen Verband Cecra. Foto: AGVS-Medien
srh. Die Schweiz ist mit der Herausforderung Agenturmodell nicht allein. Wie sieht die Situation in Europa aus?
Tobias Treyer: Sämtliche Hersteller, welche die Einführung der Agentur als neues Vertriebsmodell anstreben, planen dies jeweils für ganz Europa. Es betreffen die Änderungen und damit einhergehenden Herausforderungen folglich nicht nur die jeweiligen Marken-betriebe der Schweiz, sondern das gesamte europäische Vertriebsnetz. Entsprechend wichtig ist es, dass sich die nationalen Händlerverbände einer Marke europäisch koordinieren. Die Verhandlungskraft der gesamten europäischen Händlerschaft ist weitaus höher als die der einzelnen Länder.
Sie sind selbst aktiv bei den europäischen Diskussionen dabei. Wie läuft der Austausch zwischen den einzelnen Ländern?
Viele der betroffenen Marken sind in einem europäischen Händlerverband organisiert, in welchen jeweils Vertreter der nationalen Markenhändlerverbände delegiert werden. Diese europäischen Händlerverbände führen regel-mässige Meetings durch, im Rahmen derer sich die nationalen Händlerverbände intensiv aus-tauschen. Je nach Struktur des europäischen Händlerverbandes sind auch die nationalen Importeure wie auch Werksvertreter direkt in diese Meetings eingebunden. Eine Vorbildrolle nimmt hier der European Dealer Council der Volkswagenkonzernmarken ein. Dort nehmen an den Meetings sämtliche nationalen Importvertreter sowie die Verantwortlichen des Herstellers stets teil. Zudem gibt es diverse Arbeitsgruppen, in welchen sich die Vertreter der nationalen Händlerverbände, Importeure und Werksvertreter regelmässig über einzelne Themen vertieft austauschen, diskutieren und Lösungen suchen. Andere europäische Händlerverbände beispielsweise bilden kleinere Delegationen, welche nach den erfolgten europäischen Händlerverbandsmeetings namens der europäischen Händlerschaft die Gespräche und Verhandlungen mit den Werksvertretern führen.
Was können Sie über die Gespräche auf europäischer Ebene berichten – welche Problemstellungen werden verhandelt?
Vorab ist festzuhalten, dass sich leider nicht alle Hersteller davon überzeugen lassen, die grundlegenden, länderübergreifenden Fragestellungen zuerst auf europäischer Ebene zu diskutieren und so im Falle der Agentur einen europäischen Mantelvertrag auszuhandeln, bevor dieser Entwurf für das landesspezifische Finish der Importeurin und dem nationalen Händlerverband überlassen wird – aktuell nimmt leider BMW diese Haltung ein. In den aktuellen europäischen Diskussionen geht es insbesondere darum, die künftige Rentabilität der Agenten zu sichern und kartellrechtliche Risiken auszuschliessen. Es gibt unzählige weitere Probleme, z.B. wie und zu welchen Konditionen gelangen die Agenten an die Lea-singrückläufer und Eintauschfahrzeuge.
Gewisse Hersteller haben die Niederlande als Versuchsland gewählt. Weshalb genau da?
Es kann nur vermutet werden, dass ein kleiner, einfach strukturierter Markt in der EU mit einer überblickbaren Anzahl Marken-betriebe gesucht wurde, um die Agentur zu testen und Schlüsse daraus zu ziehen. Die Schweiz hätte im Hinblick auf die jährlichen Neuwagenimmatrikulationen eine ähnliche Grösse, gestützt auf die besonderen rechtlichen Rahmenbedingungen in der Schweiz kam resp. kommt unser Land glücklicherweise nicht als Testmarkt in Frage.
Die Schweiz ist bekanntlich nicht in der EU und hat auch deshalb gesetzlich teilweise eine andere Ausgangslage – oder versucht zumindest, diese zu schaffen wie beispielsweise mit den Motionen Gugger und Pfister. Welchen Einfluss hat dies auf die Verhandlungen und auch auf die Entwicklungen?
Der Umstand, dass die Schweiz besondere, von der EU abweichende rechtliche Rahmenbedingungen hat – so insbesondere die Kfz-Bekanntmachung für Handel und Aftersales resp. die betreffende, künftige Verordnung auf Basis der Motion Pfister – führt dazu, dass neue Verträge oftmals verzögert in der Schweiz umgesetzt werden, da die Vertragsentwürfe zuerst auf diese besonderen Rahmenbedingungen angepasst werden müssen. In den europäischen Gesprächen nimmt die Schweiz folglich meist eine Sonderstellung ein. Es wird jedoch bei vielen Marken herstellerseitig klar vermittelt, dass es für die Schweiz keine Sonderlösung gibt, sondern lediglich eine Adaption des Agenturvertrages an unsere rechtlichen Rahmenbedingungen.
Was können wir in der Schweiz aus Europa lernen?
Ich sehe es umgekehrt: Europa kann von der Schweiz lernen, wie man sich konsequent für die autogewerblichen Anliegen einsetzt. Heute noch schauen die Europäer neidisch auf unsere Kfz-Bekanntmachung, welche dank grossem Engagement des AGVS und seinen Partnerverbänden zweifach verlängert wurde und nun in eine Verordnung überführt wird.
Welche offenen Fragen gibt es auf europäischer Ebene – beispielsweise Stichwort Investitionen und Investitionsschutz?
Die Anzahl offener Fragen im Hinblick auf die Agentur und insbesondere Umsetzung des neuen Vertriebsmodelles in den einzelnen Ländern ist bei den meisten betroffenen Marken noch derart gross, dass sich die Frage nicht in vernünftiger Länge beantworten lässt.
Sie haben unlängst in einem Referat berichtet, dass ein Hersteller, der das Agenturmodell ursprünglich im Jahr 2023 einführen wollte, dies nun auf 2028 geschoben hat. Haben die Hersteller mit der Einführung eines solchen Systems einher-gehende Fragestellungen unterschätzt?
Meines Erachtens haben verschiedene Hersteller die Komplexität der Agentur im Hinblick auf die tatsächliche Umsetzung wie auch bezüglich der rechtlichen Fragestellungen massiv unterschätzt, wohl getrieben vom Wunsch, möglichst schnell den Endkundenpreis diktieren, die Marge der Agenten reduzieren und sich allenfalls auch zusätzliche Geschäftsfelder eröffnen zu können. Die Änderungen sind jedoch für die betroffenen Betriebe wie auch nationalen Importorganisationen derart umfangreich und gravierend, dass dies nicht kurzfristig umgesetzt werden kann. Ich bin auch davon überzeugt, dass einzelne Hersteller in der Umsetzungsphase arg ins Straucheln geraten, überrascht vom Umfang neuer Aufgaben und Arbeiten, die mit den Importeuren zusammen zu bewältigen sind.
Eine grosse Sorge der Garagisten ist, dass mit der Einführung des Agenturmodells auch das Aftersales- und das Occasionsgeschäft wegbrechen. Zwei Fragen hierzu: Wie sieht es erstens juristisch diesbezüglich aus und zweitens, welche Tendenzen sind hier europäisch erkennbar?
Das Occasionsgeschäft wird bei einzelnen Marken bereits intensiv diskutiert. In der Agentur ist der Hersteller/Importeur Vertragspartner des Endkunden im Neuwagenkaufvertrag, der Hersteller/Importeur kann somit künftig auch definieren, was mit den Leasingrückläufern und Eintauschfahrzeugen passieren soll. Dieses Geschäft war bislang den Markenbetrieben vorbehalten und für diese von grosser Wichtigkeit. Die Händlerverbände müssen sich folglich mit Händen und Füssen wehren, wenn die Hersteller/Importeure an diesem Geschäft künftig partizipieren wollen. Auch muss verhindert werden, dass aufgrund der vorab geschilderten neuen vertraglichen Ausgangslage auf den Werkstattbereich Einfluss genommen wird.
Zur Person: Tobias Treyer
Der AGVS-Rechtskonsulent Tobias Treyer ist der Delegierte des AGVS beim Europäischen Rat für das Kfz-Gewerbe und die Kfz- Reparatur (Cecra – Conseil européen du commerce et de la réparation auto-mobile) sowie bei verschiedenen europäischen Händlerverbänden der Schweizer Vertreter des jeweiligen nationalen Händlerverbands. Ausserdem ist Treyer als Berater für weitere nationale Händlerverbände tätig, die sich europäisch engagieren.
nach obenDer AGVS-Rechtskonsulent Tobias Treyer ist der Delegierte des AGVS beim Europäischen Rat für das Kfz-Gewerbe und die Kfz- Reparatur (Cecra – Conseil européen du commerce et de la réparation auto-mobile) sowie bei verschiedenen europäischen Händlerverbänden der Schweizer Vertreter des jeweiligen nationalen Händlerverbands. Ausserdem ist Treyer als Berater für weitere nationale Händlerverbände tätig, die sich europäisch engagieren.