Hochkarätige Podiumsdiskussion
Fährt die Autowirtschaft in Richtung Abgrund?
3. März 2024 agvs-upsa.ch – Die Politik gibt nicht nur in der Schweiz die Richtung bezüglich Mobilität vor – sondern auch in Deutschland. VDA-Präsidentin Hildegard Müller erläuterte vor rund 100 Gästen in Zürich die Herausforderungen für die Autowirtschaft. Jürg A. Stettler
Auto-Schweiz-Präsident Peter Grünenfelder begrüsste die Gäste zu Referat und Podiumsgespräch. Fotos: AGVS-Medien
Schon bei der Jahrespresskonferenz vor einer Woche forderte Auto-Schweiz-Präsident Peter Grünenfelder marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen statt Planwirtschaft. «Wir bekennen uns zur Dekarbonisierung, fordern aber rasche Reparatur der aktuellen Rahmenbedingungen», erläuterte er nun auch in Zürich. «Der drittgrössten Schweizer Importwirtschaft drohen Sanktionen von einer halben Milliarde Franken. Tausende von Stellen sind dadurch gefährdet», so Grünenfelder.
Doch Elektromobilität findet nicht den gewünschten Anklang in der Schweiz, trotz mittlerweile fast 200 Automodellen. Viele Faktoren ausserhalb des Einflusses der Autoimporteure – wie Strompreis, fehlende Ladeinfrastruktur oder fehlendes «Recht auf Laden» für Mieterinnen und Mieter – bremsen den Anreiz, auf ein Elektroauto umzusteigen. «2025 wird zum Prüfstein für Bern, ob die Elektro-Mobilität Fahrt aufnimmt oder nicht», ergänzt Grünenfelder vielsagend. Um zu unterstreichen, was es bedeutet, wenn die Autowirtschaft durch Auflagen Richtung Abgrund gesteuert wird, ohne selbst ins Lenkrad greifen und das Schlimmste verhindern zu können, lud die Vereinigung Schweizer Automobil-Importeure niemand geringeren als Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der deutschen Automobilindustrie (VDA e.V.), nach Zürich ein.
VDA-Präsidentin Hildegard Müller sprach in Zürich vor rund 100 Gästen.
Mentalitäts- und Politikwandel nötig
Für die Chefin der deutschen Autoindustrie ist klar, dass die europäische Autobranche trotz immer stärker werdender Konkurrenz aus China vor allem beim Thema E-Mobilität durchaus in der Lage ist, wettbewerbsfähige Produkte zu entwickeln. Die eloquente CDU-Politikerin stellte gleich zu Beginn ihres Referates die entscheidende Frage: «Nur: Werden wir es schaffen, diese wettbewerbsfähige Produkte in Europa zu bauen?» Die 57-Jährige ist zuversichtlich. Es brauche dazu aber Mentalitäts- und Politikwandel. «Ich glaube an menschengemachten Klimawandel. Diesem kann man jedoch nur mit Innovationen und nicht nur mit Regulierung und Verboten begegnen», führte sie aus.
Urvertrauen in E-Mobilität fehlt
Bei der Elektromobilität, die sich auch in Deutschland weniger rasch verbreitet als ursprünglich gedacht und erhofft, kämen auch berechtigte Fragen bezüglich Ladeinfrastruktur auf. Ein Drittel der deutschen Gemeinden hätten beispielsweise noch keinen Ladepunkt, zwei Drittel keinen Schnellladepunkt. «Als die CO2-Flottengrenzwerte angesetzt wurden, haben wir gedacht, es reicht, gute Elektroautos zu bauen», hält die Präsidentin des VDA selbstkritisch fest. Es reiche aber scheinbar nicht. Zwar sei Deutschland der zweitgrösste Hersteller von E-Autos weltweit; trotzdem stiegen zu wenige auf Elektromobilität um. «In Verbrenner haben wir ein Urvertrauen. Das hat man bei E-Autos noch nicht. Dazu braucht es eine gute Ladeinfrastruktur», machte Hildegard Müller klar: «Wir brauchen deshalb eine Politik, die entfesselt, was zu entfesseln ist.»
Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der deutschen Automobilindustrie (VDA e.V.), machte klar, wo aktuell der Fokus der Politik liegen müsste.
Nur gehe die Transformationsgeschwindigkeit des Staates nicht einher mit dem Transformationstempo der Wirtschaft, was sich in immer mehr Bürokratie und schlechten Rahmenbedingungen niederschlage. «Andere Wettbewerber schlafen aber nicht. China gibt Gas. Wir haben dagegen eine Krise des Industriestandorts; bereits sechs Prozent des Umsatzes gehen für Bürokratie drauf», rechnet Müller vor. «Wir benötigen Forschungs- und Entwicklungsmöglichkeiten in Europa und in Deutschland. Es herrscht aktuell Unruhe, aber noch keine Alarmstimmung. Doch wenn wir nun nicht aufwachen, dann werden die neuen Autowerke nicht in Europa kommen», so Müller. Man leiste sich einen innereuropäischen Wettbewerb, und wichtige Handelsabkommen fehlten, was gravierende Folgen haben könne.

Die deutsche Politikerin und Autowirtschaft-Präsdentin stellte sich auch den Fragen des Publikums und denjenigen von Sebastian Ramspeck, dem internationaler SRF-Korrespondent (rechts).
130'000 Arbeitsplätze fallen weg
«Mit kluger Anreizpolitik lässt sich viel entwickeln. Von Schreibtischen aus Transformation zu gestalten, davon müssen wir wegkommen – auch vom Schwarz-und-Weiss-Denken. Wir müssen die Schönheit von Graustufen erkennen», erläuterte sie vor den gebannt zuhörenden Gästen in der Autocity Emil Frey Zürich Nord. «130'000 Arbeitsplätze werden nur schon durch die Transformation hin zur Elektromobilität wegfallen. Aber wir müssen darum kämpfen, dass die Autoindustrie als Wirtschaftsmotor am Laufen bleibt und diese Mitarbeitenden in anderen Branchen Beschäftigung finden.» Es gelte, Kräfte zu bündeln, und die Politik müsse wieder Wachstum schaffen. Müller, die unter Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Regierung sass, ist zuversichtlich, dass ihr CDU-Parteikollege und angehende Bundeskanzler Friedrich Merz den Fokus auf dieses Wachstum lege.
Moderator Sebastian Ramspeck mit Auto-Schweiz-Direktor Thomas Rücker, FDP-Ständerat Thierry Burkart, Gerhard Schürmann, CEO der Emil Frey Gruppe, sowie SVP-Nationalrat Marcel Dettling während des Podiums (v.l.n.r.).
Auto bedeutet nicht mehr Fortschritt
Nach dieser eindrucksvollen Tour d'Horizon zum Stand der europäischen Autowirtschaft beleuchtete eine Podiumsrunde noch Schweizer Aspekte. Mit FDP-Ständerat Thierry Burkart, SVP-Nationalrat Marcel Dettling, Gerhard Schürmann, CEO der Emil Frey Gruppe, sowie Auto-Schweiz-Direktor Thomas Rücker war auch diese Runde hochkarätig. «Für Chinesen bedeutet das Auto Fortschritt. Wie dies bei uns vor 30 Jahren auch noch war. Doch diese Haltung hat sich geändert. In der EU und der Schweiz ist das Auto nun ein Geldesel zur Finanzierung des Staats», erläuterte Gerhard Schürmann.
Gerhard Schürmann, CEO der Emil Frey Gruppe.
Die Autobranche allein reicht nicht
Thomas Rücker verriet: «Wir können die Nachfrage nach E-Fahrzeugen nicht allein über gute Produkte selbst stärken. Es braucht ein Umfeld mit günstigen Energiepreisen und der nötigen Ladeinfrastruktur. Das kann die Autobranche allein gar nicht umsetzen.» Und Marcel Dettling ergänzte: «Ich bin nicht für die Förderung einer speziellen Technologie. Es gibt noch zu viele Fragenzeichen.» Für den SVP-Nationalrat ist klar: «Wir haben in der Vergangenheit zu viel in den Markt eingegriffen. Der Kunde soll entscheiden. Ein grosses Fragezeichen sehe ich auch beim gesetzten Fahrplan für den Klimawandel. Ich glaube, bis 2050 werden wir es nicht schaffen.»
SVP-Nationalrat Marcel Dettling.
In diesem Zusammenhang sieht FDP-Ständerat Thierry Burkart vor allem den drohenden Handelskrieg und Strafzölle kritisch: «Kommen die US-Strafzölle, ist dies ein massiver Rückschlag für die europäische Wirtschaft. Das hat grosse Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit und schafft Unsicherheit.» Der Präsident des Schweizerischer Nutzfahrzeugverbands ergänzte: «Und Unsicherheit ist immer etwas Schlechtes für eine wirtschaftliche Entwicklung. Zudem sind wir als Schweiz als kleines Land auf den Freihandel angewiesen.» Damit macht Burkart auch klar, dass die Schweiz leider nur bedingt Einfluss darauf hat, ob die Autowirtschaft weiter Richtung Abgrund fährt oder nicht. Weshalb man hierzulande dem Autogewerbe nicht noch zusätzliche Steine in den Weg legen sollte.
Auto-Schweiz-Direktor Thomas Rücker (links) und Astag-Präsident sowie FDP-Ständerat Thierry Burkart.

Schon bei der Jahrespresskonferenz vor einer Woche forderte Auto-Schweiz-Präsident Peter Grünenfelder marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen statt Planwirtschaft. «Wir bekennen uns zur Dekarbonisierung, fordern aber rasche Reparatur der aktuellen Rahmenbedingungen», erläuterte er nun auch in Zürich. «Der drittgrössten Schweizer Importwirtschaft drohen Sanktionen von einer halben Milliarde Franken. Tausende von Stellen sind dadurch gefährdet», so Grünenfelder.
Doch Elektromobilität findet nicht den gewünschten Anklang in der Schweiz, trotz mittlerweile fast 200 Automodellen. Viele Faktoren ausserhalb des Einflusses der Autoimporteure – wie Strompreis, fehlende Ladeinfrastruktur oder fehlendes «Recht auf Laden» für Mieterinnen und Mieter – bremsen den Anreiz, auf ein Elektroauto umzusteigen. «2025 wird zum Prüfstein für Bern, ob die Elektro-Mobilität Fahrt aufnimmt oder nicht», ergänzt Grünenfelder vielsagend. Um zu unterstreichen, was es bedeutet, wenn die Autowirtschaft durch Auflagen Richtung Abgrund gesteuert wird, ohne selbst ins Lenkrad greifen und das Schlimmste verhindern zu können, lud die Vereinigung Schweizer Automobil-Importeure niemand geringeren als Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der deutschen Automobilindustrie (VDA e.V.), nach Zürich ein.

Mentalitäts- und Politikwandel nötig
Für die Chefin der deutschen Autoindustrie ist klar, dass die europäische Autobranche trotz immer stärker werdender Konkurrenz aus China vor allem beim Thema E-Mobilität durchaus in der Lage ist, wettbewerbsfähige Produkte zu entwickeln. Die eloquente CDU-Politikerin stellte gleich zu Beginn ihres Referates die entscheidende Frage: «Nur: Werden wir es schaffen, diese wettbewerbsfähige Produkte in Europa zu bauen?» Die 57-Jährige ist zuversichtlich. Es brauche dazu aber Mentalitäts- und Politikwandel. «Ich glaube an menschengemachten Klimawandel. Diesem kann man jedoch nur mit Innovationen und nicht nur mit Regulierung und Verboten begegnen», führte sie aus.
Urvertrauen in E-Mobilität fehlt
Bei der Elektromobilität, die sich auch in Deutschland weniger rasch verbreitet als ursprünglich gedacht und erhofft, kämen auch berechtigte Fragen bezüglich Ladeinfrastruktur auf. Ein Drittel der deutschen Gemeinden hätten beispielsweise noch keinen Ladepunkt, zwei Drittel keinen Schnellladepunkt. «Als die CO2-Flottengrenzwerte angesetzt wurden, haben wir gedacht, es reicht, gute Elektroautos zu bauen», hält die Präsidentin des VDA selbstkritisch fest. Es reiche aber scheinbar nicht. Zwar sei Deutschland der zweitgrösste Hersteller von E-Autos weltweit; trotzdem stiegen zu wenige auf Elektromobilität um. «In Verbrenner haben wir ein Urvertrauen. Das hat man bei E-Autos noch nicht. Dazu braucht es eine gute Ladeinfrastruktur», machte Hildegard Müller klar: «Wir brauchen deshalb eine Politik, die entfesselt, was zu entfesseln ist.»

Nur gehe die Transformationsgeschwindigkeit des Staates nicht einher mit dem Transformationstempo der Wirtschaft, was sich in immer mehr Bürokratie und schlechten Rahmenbedingungen niederschlage. «Andere Wettbewerber schlafen aber nicht. China gibt Gas. Wir haben dagegen eine Krise des Industriestandorts; bereits sechs Prozent des Umsatzes gehen für Bürokratie drauf», rechnet Müller vor. «Wir benötigen Forschungs- und Entwicklungsmöglichkeiten in Europa und in Deutschland. Es herrscht aktuell Unruhe, aber noch keine Alarmstimmung. Doch wenn wir nun nicht aufwachen, dann werden die neuen Autowerke nicht in Europa kommen», so Müller. Man leiste sich einen innereuropäischen Wettbewerb, und wichtige Handelsabkommen fehlten, was gravierende Folgen haben könne.

Die deutsche Politikerin und Autowirtschaft-Präsdentin stellte sich auch den Fragen des Publikums und denjenigen von Sebastian Ramspeck, dem internationaler SRF-Korrespondent (rechts).
130'000 Arbeitsplätze fallen weg
«Mit kluger Anreizpolitik lässt sich viel entwickeln. Von Schreibtischen aus Transformation zu gestalten, davon müssen wir wegkommen – auch vom Schwarz-und-Weiss-Denken. Wir müssen die Schönheit von Graustufen erkennen», erläuterte sie vor den gebannt zuhörenden Gästen in der Autocity Emil Frey Zürich Nord. «130'000 Arbeitsplätze werden nur schon durch die Transformation hin zur Elektromobilität wegfallen. Aber wir müssen darum kämpfen, dass die Autoindustrie als Wirtschaftsmotor am Laufen bleibt und diese Mitarbeitenden in anderen Branchen Beschäftigung finden.» Es gelte, Kräfte zu bündeln, und die Politik müsse wieder Wachstum schaffen. Müller, die unter Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Regierung sass, ist zuversichtlich, dass ihr CDU-Parteikollege und angehende Bundeskanzler Friedrich Merz den Fokus auf dieses Wachstum lege.

Auto bedeutet nicht mehr Fortschritt
Nach dieser eindrucksvollen Tour d'Horizon zum Stand der europäischen Autowirtschaft beleuchtete eine Podiumsrunde noch Schweizer Aspekte. Mit FDP-Ständerat Thierry Burkart, SVP-Nationalrat Marcel Dettling, Gerhard Schürmann, CEO der Emil Frey Gruppe, sowie Auto-Schweiz-Direktor Thomas Rücker war auch diese Runde hochkarätig. «Für Chinesen bedeutet das Auto Fortschritt. Wie dies bei uns vor 30 Jahren auch noch war. Doch diese Haltung hat sich geändert. In der EU und der Schweiz ist das Auto nun ein Geldesel zur Finanzierung des Staats», erläuterte Gerhard Schürmann.

Die Autobranche allein reicht nicht
Thomas Rücker verriet: «Wir können die Nachfrage nach E-Fahrzeugen nicht allein über gute Produkte selbst stärken. Es braucht ein Umfeld mit günstigen Energiepreisen und der nötigen Ladeinfrastruktur. Das kann die Autobranche allein gar nicht umsetzen.» Und Marcel Dettling ergänzte: «Ich bin nicht für die Förderung einer speziellen Technologie. Es gibt noch zu viele Fragenzeichen.» Für den SVP-Nationalrat ist klar: «Wir haben in der Vergangenheit zu viel in den Markt eingegriffen. Der Kunde soll entscheiden. Ein grosses Fragezeichen sehe ich auch beim gesetzten Fahrplan für den Klimawandel. Ich glaube, bis 2050 werden wir es nicht schaffen.»

In diesem Zusammenhang sieht FDP-Ständerat Thierry Burkart vor allem den drohenden Handelskrieg und Strafzölle kritisch: «Kommen die US-Strafzölle, ist dies ein massiver Rückschlag für die europäische Wirtschaft. Das hat grosse Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit und schafft Unsicherheit.» Der Präsident des Schweizerischer Nutzfahrzeugverbands ergänzte: «Und Unsicherheit ist immer etwas Schlechtes für eine wirtschaftliche Entwicklung. Zudem sind wir als Schweiz als kleines Land auf den Freihandel angewiesen.» Damit macht Burkart auch klar, dass die Schweiz leider nur bedingt Einfluss darauf hat, ob die Autowirtschaft weiter Richtung Abgrund fährt oder nicht. Weshalb man hierzulande dem Autogewerbe nicht noch zusätzliche Steine in den Weg legen sollte.

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