Für alle eine wichtige ­Orientierungshilfe

Schweiz: ​Erster Branchenfahrplan

Für alle eine wichtige ­Orientierungshilfe

17. März 2025 agvs-upsa.ch – Um eine Dekarbonisierung einer Branche möglichst effizient voranzutreiben, braucht es Daten und abgestimmte Massnahmen. Hier ist das oft gescholtene Autogewerbe Trendsetter: Denn zusammen mit Pilotbetrieben hat das Amag-Carrosserienetzwerk Totalrepair den ersten Branchenfahrplan überhaupt erarbeitet. Und macht diese ­Erkenntnisse nun allen Betrieben zugänglich. Jürg A. Stettler


Projektleiter Roger Allenspach (rechts) hofft, beobachtet von Oliver Stegmann, Director of Group Aftersales bei Amag Import, darauf, dass aus dem Branchenfahrplan sogar eine Branchenlösung werden könnte. Foto: AGVS-Medien

Ein typischer Schweizer Carrosseriebetrieb stösst aktuell 147 Tonnen CO2 pro Jahr aus, das entspricht etwa 94 Flügen von Zürich nach New York. Diese Zahl soll und muss sinken, darum hat die Amag mit ihrem K+L-Label Totalrepair versucht, Massnahmen für eine möglichst effiziente Dekarbonisierung zu erarbeiten. Daraus ist der nun vorgestellte, zusammen mit der Act Cleantech Agentur Schweiz entwickelte und vom Bundesamt für Energie verabschiedete Branchenfahrplan für eine Dekarbonisierung entstanden –der erste Branchenfahrplan überhaupt!

Verschiedene Hebel betätigen
Schon 2021 definierte die Amag eine ambitionierte Klimastrategie, um als Unternehmen bereits bis 2040 einen klimaneutralen Fussabdruck gemäss «Net Zero» über alle Wertschöpfungsstufen zu erreichen. Daher wurde das Streben nach Dekarbonisierung auch fix in die verschiedenen Geschäftsmodelle der Amag integriert. Ina Maria Walthert, Head Group Sustainability Amag Group AG, verrät: «Um dieses Ziel zu schaffen, müssen wir verschiedene Hebel betätigen. Im Bereich Karosserie und Lack und in den dahinterstehenden Prozessen liegen hohe Einsparpotenziale. Mit dem Branchenfahrplan haben wir jetzt ein sehr starkes Instrument in der Hand, das sicherstellt, dass die ergriffenen Massnahmen an den richtigen Stellschrauben ansetzen.» Zwar mache die Nutzung der verkauften Fahrzeuge sowie deren Produktion immer noch den grössten Anteil der CO2-Werte bei der Amag aus, aber auch die ganzen betrieblichen Emissionen müssten gesenkt werden. «Wir müssen dabei runter auf den Bereich der Prozesse kommen und nicht nur einzelne Bereiche und Betriebe isoliert betrachten», ergänzt Walthert.


Nicht nur beim Lackieren selbst gibt es gemäss Branchenfahrplan viel Einsparpotenzial.

Reale Date als Grundlage
Der nun vorgestellte Branchenfahrplan enthält konkrete Massnahmen, die es ermöglichen, Dekarbonisierungsziele zu erreichen. Die Grundlage für die Reise zu Netto-Null bildet dabei nicht etwa ein politisches Wunschdenken, sondern konkrete Daten aus demCarrosserie-Bereich. Der Fahrplan ist nämlich eine Synthese einer Untersuchung eines Fahrplans von sieben K+L-Betrieben aus dem Totalrepair-Netzwerk (s. a. AUTOINSIDE 01/2025). Dabei wurden bewusst Betriebe in alten und neuen Gebäuden mit integrierter K+L-Abteilung, aber auch reine K+L-Betriebe untersucht. «Die Experten haben nicht nur sieben verschiedene Kabinentechniken angetroffen, sondern auch Betriebe, die mit den unterschiedlichsten Tempi in Richtung nachhaltige Reparaturen unterwegs sind», resümiert Rahel Liechti, Projektleiterin Energieeffizienz und Dekarbonisierung bei der Act Cleantech Agentur Schweiz. «Wir haben daraus 16 Massnahmen erarbeitet und auch quantifiziert, wie teuer diese sind. Zudem die zeitliche Umsetzung, ob sofort oder nur langfristig, genauer angeschaut.»

Totalrepair ging in Vorleistung
Wichtig sei ebenfalls, dass man die Mitarbeitenden auf diese Dekarbonisierungsreise mitnehme. Dank der Untersuchungen könne man nun viel besser quantifizieren und beurteilen, welche Massnahmen welche CO2-Einsparungen mit sich bringen. Schliesslich könne sich nicht jede Garage oder jeder Carrosserie-Betrieb eine Nachhaltigkeitsexpertin oder einen Nachhaltigkeitsexperten leisten, bevor man Investitionen in Geräte oder bei der Energieversorgung tätige. «In der Schweiz gibt es eine sehr vielfältige Carrosserie-Landschaft. Wir wollten mit dem Branchenfahrplan in die Vorleistung gehen und haben uns daher für die Arbeit mit Pilotbetrieben entschieden», erläutert Oliver Stegmann, Director of Group Aftersales bei Amag Import. «Um natürlich auch erste Learnings aus diesen Untersuchungen ziehen zu können, bevor wir die Massnahmen im ganzen Netz der Totalrepair-Betriebe ausrollen.»


(v.l.n.r.) Projektleiter Roger Allenspach mit Patrick Schaffter, Leiter After Sales, und Andreas Flückiger, Stv. Leiter After Sales, in der Ausee-Garage AG.

Wichtigste Massnahmenbereiche
Für die Betriebe sei es nun wichtig, zu beurteilen, welche Massnahmen für das eigene Unternehmen Sinn machen. Rahel Liechti sieht die wichtigsten und grössten Hebel für weniger Emissionen bei K+L-Arbeiten etwa bei der Umstellung auf Niedertemperatur-Lackierung. «Auch bei der Wärmeerzeugung kann durch Wärmepumpen oder ein Anschluss ans Fernwärmenetz viel eingespart werden», führt sie aus. «Weitere Punkte sind klimafreundlichere Abschleppfahrzeuge, eine Stromerzeugung über eine eigene PV-Anlage sowie ein gesamthaftes Energiemanagement für den Betrieb mit diversen Optimierungen und der Sensibilisierung der Mitarbeitenden.» Die Experten nahmen auch vor- und nachgelagerte Arbeiten genau unter die Lupe: Act Cleantech Agentur Schweiz untersuchte die Lieferkette beim Einkauf der Produkte, beurteilte den Pendler- und Geschäftsverkehr und schaute sich die Betriebsabfälle an. «Eine Trennung schon bei der Quelle ist hier wichtig; dann natürlich der Ansatz ‹Reparieren, wo immer vom Autohersteller erlaubt und möglich, statt zu ersetzen› – auch das senkt die Emissionen», führt Rahel Liechti aus.

Branchenlabel wäre wünschenswert
Der für alle Interessierten frei zugängliche Branchenfahrplan bietet für Garagen und Carrosserie-Betriebe eine gute Orientierungshilfe, doch wichtig wäre auch, dass Versicherungen sowie Endkundinnen und Endkunden, die Wert auf eine nachhaltige Reparatur legen, ebenfalls erfahren, dass ein Betrieb hier mehr Anstrengungen als seine Konkurrenz unternimmt. «Wünschenswert wäre es, gemeinsam ein den Konsument Orientierung verschaffendes Branchenlabel für ressourcenschonende Instandstellungen von Karosserien zu erarbeiten», erklärt Oliver Stegmann. Der Branchenfahrplan könne jetzt zudem mit interessierten Verbänden zu einem Netto-Null-Fahrplan gemäss Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit (KIG), Artikel 5, weiterentwickelt werden. Und Projektleiter Roger Allenspach ergänzt: «Es stecken viel Arbeit, Schweiss und auch Emotionen drin. Nun geht es darum, dass wir aus diesem Papier etwas machen. Jeder Betrieb ist frei, aktiv zu werden. Bei der Amag werden wir ihn sicherlich in den rund 130 Totalrepair-Betrieben umsetzen.» Er ergänzt hoffnungsvoll: «Wir können aber auch als Branche zusammenzusitzen und aus dem Branchenfahrplan eine Branchenlösung und vielleicht sogar ein Label machen!»

Zum Branchenfahrplan der Karosserie- und Lackbetriebe (PDF)
Feld für switchen des Galerietyps
Bildergalerie

Kommentar hinzufügen

5 + 0 =
Lösen Sie diese einfache mathematische Aufgabe und geben das Ergebnis ein. z.B. Geben Sie für 1+3 eine 4 ein.

Kommentare