Innovation im Autogewerbe
Der Garagist ist zunehmend gefordert, zusätzliche Dienstleistungen anzubieten
30. November 2022 agvs-upsa.ch – Agenturmodelle, Elektrifizierung, Digitalisierung: Die Autobranche und mit ihr das Autogewerbe befinden sich in einer eigentlichen Revolution. Der Garagist und seine Mitarbeitenden sind gefordert, innovativ zu sein und neues auszuprobieren. Da hilft auch Inspiration, die AUTOINSIDE im Tessin, in der Romandie und in der Zentralschweiz zusammengetragen hat.
Kro. Kurze Umfrage bei AGVS-Garagisten und ZV-Mitgliedern im Herbst 2022: Was gehört mittelfristig zu den grössten Herausforderungen für Unternehmer im Autogewerbe? Die Antworten sind so vielschichtig wie die Herausforderungen selbst. Aber eine Konstante kristallisiert sich heraus, wie Andri Zisler, Mitglied des AGVS-Zentralvorstands, betont: «Die Entwicklung neuer Dienstleistungen.» Das sieht auch Christian Müller so. Der Präsident der AGVS-Sektion Zürich sagt: «Der Garagist ist zunehmend gefordert, zusätzliche Dienstleistungen anzubieten – notfalls auch ausserhalb seiner Bindung an eine Marke». Markus Hesse, wie Andri Zisler ebenfalls ZV-Mitglied, nennt zwei Schlüsseleigenschaften, die er im Vordergrund sieht: «Innovation und Kreation.»
Die Bedeutung von Innovation nimmt zu
«Warum Innovation?», fragt die St. Gallen Business School in einem viel beachteten Aufsatz, und die Frage ist nicht rhetorisch gemeint. Die konkrete Antwort: «Das Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens stehen in direktem Zusammenhang mit seiner Innovationsfähigkeit».
Worauf die AGVS-Exponenten abzielen und worin sie sich einig sind: Die betriebswirtschaftliche Bedeutung von Innovation nimmt allgemein zu. Im Einklang damit schreibt die St. Gallen Business School: «Unternehmen, die keine neuen Produkte auf den Markt bringen oder ihre Wertschöpfungsprozesse nicht kontinuierlich optimieren, können sich mittel- und langfristig nicht im Wettbewerb behaupten.»
Soweit die Theorie. Aber wie sieht die Praxis aus? AUTOINSIDE hat bei je einer Garage im Tessin, in der Romandie und in der Zentralschweiz nachgefragt.
Experimentierfreudigkeit im Tessin
«Das Wichtigste ist, aufgeschlossen zu sein, insbesondere gegenüber allen neuen Vorschlägen, sowohl in der Wirtschaft als auch in der Technologie im Allgemeinen», sagt Roberto Bonfanti, der zusammen mit Bruder Davide und Vater Luciano, dem Gründer des Unternehmens, die Garage Bonfanti in Mendrisio leitet. Diese Grundhaltung führe dazu, «dass wir neue Modelle analysieren, verstehen, einführen und testen und den Prozess mit einer Bewertung abschliessen». Wobei jeder Prozess per se verbesserungsfähig sei. Und dazu müsse man ihn von Anfang bis Ende hinterfragen. Die Bonfantis experimentieren grundsätzlich mit allem, «was der Automobilsektor derzeit bietet». Dazu stehen die beiden Brüder in einem ständigen Dialog zwischen Verkauf und Werkstatt; sie bezeichnen das als «Grundlage für die Suche nach neuen innovativen Ansätzen für neue Geschäftsmodelle». In diesem Rahmen versuchen sie permanent, Erkenntnisse und Ideen aus anderen Wirtschaftszweigen zu gewinnen, um sie dann für ihr eigenes Geschäft zu adaptieren und zu übernehmen. Was funktioniert, werde beibehalten und verbessert, der Rest werde nicht besonders gepusht oder gar eliminiert. «Wir sind unternehmungslustig, aber wir achten auch darauf, dass wir nicht mehr abbeissen, als wir kauen können», sagt Roberto Bonfanti.
In der Garage Bonfanti werden die Mitarbeiter bereits zu Beginn des Prozesses miteinbezogen mit dem Ziel, einen allgemeinen Konsens zu erzielen, noch bevor man mit den ersten Phasen des Projekts beginnt. Die Arbeitnehmer können dabei in allen Phasen eingreifen und ihren Beitrag leisten.
«Anders sein» in der Romandie
«Die Autocorner-Gruppe bleibt ihrem Slogan ‹anders seit 1990› treu», sagt Benoît Flach, Leiter Marketing und Kommunikation. Für Caroline und Jean-Claude Oberson, die Gründer der Autocorner-Gruppe, sei dies mehr als nur ein Slogan, es entspreche der gelebten Unternehmensphilosophie. «Wir passen uns an jede gesundheitliche, wirtschaftliche und geopolitische Situation an, wir zögern nicht, Entscheidungen gegen den Strom des Marktes zu treffen und reagieren extrem schnell, um den Bedürfnissen unserer Kunden gerecht zu werden.» Bei Autocorner gehe das Management innovative Prozesse transparent mit den Mitarbeitern an. «Wir hören ihnen zu, denn sie sind es, die vor Ort tätig sind. In die Entscheidungen des Managements fliessen ihre ‹Kundenerfahrungen› mit ein.» Dieser Austausch verleihe den Vorschlägen des Managements mehr Legitimität. Bei Autocorner liegt der Fokus derzeit auf zwei Entwicklungen, die entweder absehbar oder bereits Realität sind: «Der Preisdruck führt zu sinkenden Gewinnmargen, die nur durch eine Erhöhung des Volumens ausgeglichen werden können. Darüber hinaus müssen Wege gefunden werden, um 40 Prozent der Einnahmen aus dem Kundendienst zu decken, die aufgrund der Elektrifizierung des Fahrzeugbestands fehlen werden.»
Gründungsgeist in der Zentralschweiz
«Die Grundlage, neue Ideen zu suchen und zu finden, bildet unsere eigene Organisation», erklärt Andreas Birrer, Inhaber und Geschäftsführer der Auto Birrer in Sursee. «Wir sind geschäftlich so organisiert, dass man den Kopf frei hat, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.» Um dann neue Ansätze zu finden, schaue man den Markt an und versuche, zukunftsorientiert zu denken. So hat man sich unter anderem verstärkt mit dem Thema Elektromobilität auseinandergesetzt, die Folgen geprüft und Massnahmen daraus abgeleitet. Zudem sei es immer essenziell, sich mit der Konkurrenz im In- und Ausland zu vergleichen und den ganzen Markt zu beobachten, erklärt Andreas Birrer.
Auf dieser Basis wurde zum Beispiel die Share Birrer AG gegründet. «Aufgrund der steigenden Bevölkerungszahlen und immer weniger Parkplatzmöglichkeiten bei Neubauten haben wir dieses neue Geschäftsmodell erarbeitet», sagt Andreas Birrer. Share Birrer stellt diverse Elektrofahrzeuge in der Zentralschweiz sowie an einzelnen Standorten in Graubünden oder in Liechtenstein zur Vermietung zur Verfügung. Das Angebot finde vor allem bei neuen Überbauungen mit weniger Parkplätzen Anklang.
Zum gleichen Zeitpunkt wurde die All in Birrer AG gegründet. «Wir haben gemerkt, dass Personen immer mehr Produkte und Dienstleistungen im Abo kaufen», erklärt Birrer. Deshalb habe man sich entschieden, ein Autoabo anzubieten. «Das Autoabo ist vergleichbar mit einem Handyabo. Es ist ein monatlicher Betrag, der alle Kosten wie die Wartung, Radwechsel, Einlagerung von Rädern, Versicherung, Vignette und Verkehrssteuer beinhaltet.»
Ein eher kleineres Projekt realisierte die Garage während der Corona Krise. Da der Verkauf lahmgelegt war, realisierte die Garage monatlich eine digitale Autopräsentation. In dieser zeigte sie neue Fahrzeugmodelle, Spannendes aus der Werkstatt sowie Tipps und Tricks. Die Aufnahmen konnten auf der Webseite der Garage nachgeschaut werden.
Vor kurzem hat die Garage ein Bonusprogramm für die Führungskräfte geschaffen, um Anreize zu schaffen, über den Tellerrand hinauszudenken. «Wir sind überzeugt, dass wir mit diesem neuen Programm die Führungskräfte dazu bringen, sich auch für neue Geschäftsmodelle einzusetzen und solche weiterzuentwickeln», sagt Andreas Birrer. Allgemein ist man in Sursee überzeugt, dass «der Einbezug von Mitarbeitenden bei neuen Ideen sehr wichtig ist und zum Geschäftserfolg beiträgt». Es liege jedoch in ihrer Verantwortung sich aktiv einzubringen und einen positiven Beitrag zu leisten. «Im Gegenzug dazu», sagt Andreas Birrer, «wird es von Führungskräften verlangt, dass sie mitdenken und zur Weiterentwicklung des Unternehmens beitragen.»
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Kro. Kurze Umfrage bei AGVS-Garagisten und ZV-Mitgliedern im Herbst 2022: Was gehört mittelfristig zu den grössten Herausforderungen für Unternehmer im Autogewerbe? Die Antworten sind so vielschichtig wie die Herausforderungen selbst. Aber eine Konstante kristallisiert sich heraus, wie Andri Zisler, Mitglied des AGVS-Zentralvorstands, betont: «Die Entwicklung neuer Dienstleistungen.» Das sieht auch Christian Müller so. Der Präsident der AGVS-Sektion Zürich sagt: «Der Garagist ist zunehmend gefordert, zusätzliche Dienstleistungen anzubieten – notfalls auch ausserhalb seiner Bindung an eine Marke». Markus Hesse, wie Andri Zisler ebenfalls ZV-Mitglied, nennt zwei Schlüsseleigenschaften, die er im Vordergrund sieht: «Innovation und Kreation.»
Die Bedeutung von Innovation nimmt zu
«Warum Innovation?», fragt die St. Gallen Business School in einem viel beachteten Aufsatz, und die Frage ist nicht rhetorisch gemeint. Die konkrete Antwort: «Das Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens stehen in direktem Zusammenhang mit seiner Innovationsfähigkeit».
Worauf die AGVS-Exponenten abzielen und worin sie sich einig sind: Die betriebswirtschaftliche Bedeutung von Innovation nimmt allgemein zu. Im Einklang damit schreibt die St. Gallen Business School: «Unternehmen, die keine neuen Produkte auf den Markt bringen oder ihre Wertschöpfungsprozesse nicht kontinuierlich optimieren, können sich mittel- und langfristig nicht im Wettbewerb behaupten.»
Soweit die Theorie. Aber wie sieht die Praxis aus? AUTOINSIDE hat bei je einer Garage im Tessin, in der Romandie und in der Zentralschweiz nachgefragt.
«Wir experimentieren mit allem, was der Automobilsektor derzeit bietet.»
Roberto Bonfanti, Geschäftsleitung Garage Bonfanti SA, MendrisioExperimentierfreudigkeit im Tessin
«Das Wichtigste ist, aufgeschlossen zu sein, insbesondere gegenüber allen neuen Vorschlägen, sowohl in der Wirtschaft als auch in der Technologie im Allgemeinen», sagt Roberto Bonfanti, der zusammen mit Bruder Davide und Vater Luciano, dem Gründer des Unternehmens, die Garage Bonfanti in Mendrisio leitet. Diese Grundhaltung führe dazu, «dass wir neue Modelle analysieren, verstehen, einführen und testen und den Prozess mit einer Bewertung abschliessen». Wobei jeder Prozess per se verbesserungsfähig sei. Und dazu müsse man ihn von Anfang bis Ende hinterfragen. Die Bonfantis experimentieren grundsätzlich mit allem, «was der Automobilsektor derzeit bietet». Dazu stehen die beiden Brüder in einem ständigen Dialog zwischen Verkauf und Werkstatt; sie bezeichnen das als «Grundlage für die Suche nach neuen innovativen Ansätzen für neue Geschäftsmodelle». In diesem Rahmen versuchen sie permanent, Erkenntnisse und Ideen aus anderen Wirtschaftszweigen zu gewinnen, um sie dann für ihr eigenes Geschäft zu adaptieren und zu übernehmen. Was funktioniert, werde beibehalten und verbessert, der Rest werde nicht besonders gepusht oder gar eliminiert. «Wir sind unternehmungslustig, aber wir achten auch darauf, dass wir nicht mehr abbeissen, als wir kauen können», sagt Roberto Bonfanti.
In der Garage Bonfanti werden die Mitarbeiter bereits zu Beginn des Prozesses miteinbezogen mit dem Ziel, einen allgemeinen Konsens zu erzielen, noch bevor man mit den ersten Phasen des Projekts beginnt. Die Arbeitnehmer können dabei in allen Phasen eingreifen und ihren Beitrag leisten.
«Transparenz ermöglicht den Mitarbeitenden, sich von Beginn an in einem Prozess beteiligt zu fühlen.»
Benoît Flach, Leiter Marketing und Kommunikation, Garage Autocorner J.-C. & C. Oberson SA, Lutry«Anders sein» in der Romandie
«Die Autocorner-Gruppe bleibt ihrem Slogan ‹anders seit 1990› treu», sagt Benoît Flach, Leiter Marketing und Kommunikation. Für Caroline und Jean-Claude Oberson, die Gründer der Autocorner-Gruppe, sei dies mehr als nur ein Slogan, es entspreche der gelebten Unternehmensphilosophie. «Wir passen uns an jede gesundheitliche, wirtschaftliche und geopolitische Situation an, wir zögern nicht, Entscheidungen gegen den Strom des Marktes zu treffen und reagieren extrem schnell, um den Bedürfnissen unserer Kunden gerecht zu werden.» Bei Autocorner gehe das Management innovative Prozesse transparent mit den Mitarbeitern an. «Wir hören ihnen zu, denn sie sind es, die vor Ort tätig sind. In die Entscheidungen des Managements fliessen ihre ‹Kundenerfahrungen› mit ein.» Dieser Austausch verleihe den Vorschlägen des Managements mehr Legitimität. Bei Autocorner liegt der Fokus derzeit auf zwei Entwicklungen, die entweder absehbar oder bereits Realität sind: «Der Preisdruck führt zu sinkenden Gewinnmargen, die nur durch eine Erhöhung des Volumens ausgeglichen werden können. Darüber hinaus müssen Wege gefunden werden, um 40 Prozent der Einnahmen aus dem Kundendienst zu decken, die aufgrund der Elektrifizierung des Fahrzeugbestands fehlen werden.»
«Wir sind so organisiert, dass man den Kopf frei hat, um neue Geschäftsfelder zu entwickeln.»
Andreas Birrer, Inhaber und Geschäftsführer der Auto Birrer in SurseeGründungsgeist in der Zentralschweiz
«Die Grundlage, neue Ideen zu suchen und zu finden, bildet unsere eigene Organisation», erklärt Andreas Birrer, Inhaber und Geschäftsführer der Auto Birrer in Sursee. «Wir sind geschäftlich so organisiert, dass man den Kopf frei hat, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.» Um dann neue Ansätze zu finden, schaue man den Markt an und versuche, zukunftsorientiert zu denken. So hat man sich unter anderem verstärkt mit dem Thema Elektromobilität auseinandergesetzt, die Folgen geprüft und Massnahmen daraus abgeleitet. Zudem sei es immer essenziell, sich mit der Konkurrenz im In- und Ausland zu vergleichen und den ganzen Markt zu beobachten, erklärt Andreas Birrer.
Auf dieser Basis wurde zum Beispiel die Share Birrer AG gegründet. «Aufgrund der steigenden Bevölkerungszahlen und immer weniger Parkplatzmöglichkeiten bei Neubauten haben wir dieses neue Geschäftsmodell erarbeitet», sagt Andreas Birrer. Share Birrer stellt diverse Elektrofahrzeuge in der Zentralschweiz sowie an einzelnen Standorten in Graubünden oder in Liechtenstein zur Vermietung zur Verfügung. Das Angebot finde vor allem bei neuen Überbauungen mit weniger Parkplätzen Anklang.
Zum gleichen Zeitpunkt wurde die All in Birrer AG gegründet. «Wir haben gemerkt, dass Personen immer mehr Produkte und Dienstleistungen im Abo kaufen», erklärt Birrer. Deshalb habe man sich entschieden, ein Autoabo anzubieten. «Das Autoabo ist vergleichbar mit einem Handyabo. Es ist ein monatlicher Betrag, der alle Kosten wie die Wartung, Radwechsel, Einlagerung von Rädern, Versicherung, Vignette und Verkehrssteuer beinhaltet.»
Ein eher kleineres Projekt realisierte die Garage während der Corona Krise. Da der Verkauf lahmgelegt war, realisierte die Garage monatlich eine digitale Autopräsentation. In dieser zeigte sie neue Fahrzeugmodelle, Spannendes aus der Werkstatt sowie Tipps und Tricks. Die Aufnahmen konnten auf der Webseite der Garage nachgeschaut werden.
Vor kurzem hat die Garage ein Bonusprogramm für die Führungskräfte geschaffen, um Anreize zu schaffen, über den Tellerrand hinauszudenken. «Wir sind überzeugt, dass wir mit diesem neuen Programm die Führungskräfte dazu bringen, sich auch für neue Geschäftsmodelle einzusetzen und solche weiterzuentwickeln», sagt Andreas Birrer. Allgemein ist man in Sursee überzeugt, dass «der Einbezug von Mitarbeitenden bei neuen Ideen sehr wichtig ist und zum Geschäftserfolg beiträgt». Es liege jedoch in ihrer Verantwortung sich aktiv einzubringen und einen positiven Beitrag zu leisten. «Im Gegenzug dazu», sagt Andreas Birrer, «wird es von Führungskräften verlangt, dass sie mitdenken und zur Weiterentwicklung des Unternehmens beitragen.»
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