Kompetenz in der Farbwelt
Die Kunst, den richtigen Ton zu treffen
23. April 2024 agvs-upsa.ch – Die beliebtesten Farben bei Autos sind Schwarz und Weiss, Grau und Silber: Rund drei Viertel der 2023 neu zugelassenen Autos tragen diese Farbtöne. Doch selbst bei diesen nur vier Farben gibt es unzählige Varianten und Effekte. Volker Wistorf, Leiter Anwendungstechnik bei der André Koch AG, weiss, wie man vor lauter Nuancen den Durchblick behält. Sascha Rhyner
Bunt wie eine Schachtel Farbstifte: Der Mitarbeitenden-Parkplatz von Volkswagen in den 1970er-Jahren. Foto: Volkswagen
Wer in den 1970er- oder 1980er-Jahren aufgewachsen ist, kennt die blecherne Caran d’Ache-Schachtel mit den zwölf Farb stiften. Ähnlich sah die Auto-Farbpalette zu jener Zeit aus, wie unser zeitgenössisches Bild des VW-Werksparkplatzes zeigt. Volker Wistorf absolvierte damals die Ausbildung zum Lackierer. Seither ist viel passiert: bei den Autofarben und bei Volker Wistorf. Letzterer legte erfolgreich die Meisterprüfung ab und ist heute Leiter Anwendungstechnik bei der André Koch AG. Dort ist er sowas wie der Herr über Autofarben. «Wir haben in unserem System über 250’000 Formeln für Farbtöne und nuancen», sagt Wistorf.
Trend zu immer spektakuläreren Effekten
Das muss auch sein, denn die Entwicklung ist rasant. Rund 100 Grundfarbtöne gibt es, und «jedes Jahr kommen vier bis fünf neu eingesetzte Grundfarbtöne dazu», so Wistorf. Dazu gibt es immer mehr Effekte. Die Farbtonsta bilität, sagt der Experte, werde in Mitleiden schaft gezogen. Weil zudem die Spaltmasse heute immer kleiner und immer mehr Teile lackiert seien, werde die Arbeit für Lackierbetriebe anspruchsvoller. Kleinere Unterschiede im Farbton springen sofort ins Auge, und das zu Zeiten, in denen die Farbdesigner der Auto hersteller bemüht sind, mit neuen Trends und speziellen Farben Akzente zu setzen. «Farbtonflops, also sich je nach Blickwinkel verändernde Farbtöne, sind Herausforderungen», sagt Wistorf. Dazu werden über die Grund farbe dünne Schichten mit verschiedenen, ultradünnen Lasuren gelegt. Ein Beispiel dafür ist Mazda mit der Lackfarbe Rhodium White einem Weiss, das je nach Blickwinkel aufs Auto unterschiedlich wirkt. «Der Trend geht klar zu immer mehr und immer spektakuläreren Effekten», erläutert Wistorf.
Ein unerlässlicher Helfer in der Lackiererei ist deshalb ein Farbtonmessgerät. «Es genügt heute nicht mehr, so lackieren zu wollen wie immer», erläutert Wistorf. Das sei aber längstens bekannt; rund 98 Prozent der André Koch-Kunden hätten ein Farbtonmessgerät. «Es ist fast unmöglich, nur nach Augenmass den richtigen Farbton zu treffen.» So gebe es allein für die Farbe Volkswagen-Silber LA7 W verschiedene Nuancen, die individuell abzu mischen seien, weil nicht jedes silberne Fahrzeug aus Wolfsburg gleich ist.
Weiss ist nicht einfach Weiss: Die Designabteilungen von Fahrzeugherstellern werden immer innovativer und fordern damit auch die Lackhersteller. Foto: Mazda
Zwei Jahre bis zur Formel
Die Digitalisierung ist eine wertvolle Unterstützung, auch in der Carrosseriewerkstatt. «Die gute Vorbereitung ist aber notwendig, damit das Messgerät mit 26 verschiedenen LED Farbfiltern in drei Winkeln gute Ergebnisse ausspielen kann», erklärt er. Die Daten werden mit der Datenbank und den über 250’000 Datensätzen abgeglichen. In der Datenbank können Lab-Werte, der Effekt und die Metamerie des Farbtones überprüft werden und die bestehende Formel wird digital korrigiert, so dass sie zum Fahrzeug angepasst wird. Das menschliche Auge prüft wenn nötig an hand eines Musterbleches die korrigierte Formel, so der Farbtonexperte.
Die Designabteilungen der Automobilhersteller fordern aber nicht nur die Datenbank und den Farbmischprozess heraus. Kommt ein neues Fahrzeug mit einer neuen Lackierung, ist die Standox-Coloristik im Headquarter gefordert. Zwar gibt es gewisse Unterstützung durch die OEM: Die Autohersteller stellen Muster zur Verfügung. Vom Designmuster über die Formel, bis zur Serienlackierung dauert es rund zwei Jahre, «Bei der Formelerstellung passieren die ersten Schritte am Computer, aber für den Feinschliff braucht es auch hier das menschliche Auge», erklärt Volker Wistorf.
So funktioniert Rhodium Weiss bei Mazda. Foto: Mazda
Hilfreiche Video-Tutorials
Die Lackhersteller unterstützen die Lackierbe triebe auf vielfältige Weise bei den modernen und komplexen Autolackierungen. So trifft das vollautomatische Farbmischsystem von Axalta «Irus Mix» in Sachen Farbtongenauigkeit und Zeitgewinnung für den Lackierer voll ins Schwarze. «Für eine bestimmte Lackierung eines Teslas mussten wir die Crew jedoch während eines Tages für dieses spezielle Verfahren schulen», weiss Wistorf zu berichten. Für die meisten Verfahren gibt es auf der Standox-Website Video-Tutorials mit guten Erklärungen. «Man muss verstehen, wie man vier bis fünf ganz dünne Schichten auftragen kann.» Für gewisse Sonderfarben braucht es sogar einen Sondereffort der Lackproduzenten, wie eine Anekdote verdeutlicht: «Wir hatten gesehen, dass Toyota einen Wagen mit einem eigenen Blau produziert. Toyota meinte, das Fahrzeug käme nicht nach Europa. Wir mussten das Farbpigment also in den USA bestellen und wir haben jetzt schon drei solche Fahrzeuge repariert.»
Nicht zu den 250’000 Formeln gehört übrigens jene Lackierung, die Rolls-Royce vor einigen Jahren unter anderem am Auto-Salon Genf präsentierte. Der Rolls-Royce Ghost mit der Speziallackierung «Diamond Stardust» hält, was der Name verspricht. Für die Lackierung wurden 1000 Diamanten zu feinstem Staub gemahlen und in der Lackierung mitverarbeitet. Und für das Finish brauchte es angeblich einen Eichhörnchenhaar-Pinsel. Damit dürften allein die Lackierkosten wohl gar den Preis des Fahrzeugs um ein Mehrfaches übersteigen.
Bunt wie eine Schachtel Farbstifte: Der Mitarbeitenden-Parkplatz von Volkswagen in den 1970er-Jahren. Foto: Volkswagen
Wer in den 1970er- oder 1980er-Jahren aufgewachsen ist, kennt die blecherne Caran d’Ache-Schachtel mit den zwölf Farb stiften. Ähnlich sah die Auto-Farbpalette zu jener Zeit aus, wie unser zeitgenössisches Bild des VW-Werksparkplatzes zeigt. Volker Wistorf absolvierte damals die Ausbildung zum Lackierer. Seither ist viel passiert: bei den Autofarben und bei Volker Wistorf. Letzterer legte erfolgreich die Meisterprüfung ab und ist heute Leiter Anwendungstechnik bei der André Koch AG. Dort ist er sowas wie der Herr über Autofarben. «Wir haben in unserem System über 250’000 Formeln für Farbtöne und nuancen», sagt Wistorf.
Trend zu immer spektakuläreren Effekten
Das muss auch sein, denn die Entwicklung ist rasant. Rund 100 Grundfarbtöne gibt es, und «jedes Jahr kommen vier bis fünf neu eingesetzte Grundfarbtöne dazu», so Wistorf. Dazu gibt es immer mehr Effekte. Die Farbtonsta bilität, sagt der Experte, werde in Mitleiden schaft gezogen. Weil zudem die Spaltmasse heute immer kleiner und immer mehr Teile lackiert seien, werde die Arbeit für Lackierbetriebe anspruchsvoller. Kleinere Unterschiede im Farbton springen sofort ins Auge, und das zu Zeiten, in denen die Farbdesigner der Auto hersteller bemüht sind, mit neuen Trends und speziellen Farben Akzente zu setzen. «Farbtonflops, also sich je nach Blickwinkel verändernde Farbtöne, sind Herausforderungen», sagt Wistorf. Dazu werden über die Grund farbe dünne Schichten mit verschiedenen, ultradünnen Lasuren gelegt. Ein Beispiel dafür ist Mazda mit der Lackfarbe Rhodium White einem Weiss, das je nach Blickwinkel aufs Auto unterschiedlich wirkt. «Der Trend geht klar zu immer mehr und immer spektakuläreren Effekten», erläutert Wistorf.
Ein unerlässlicher Helfer in der Lackiererei ist deshalb ein Farbtonmessgerät. «Es genügt heute nicht mehr, so lackieren zu wollen wie immer», erläutert Wistorf. Das sei aber längstens bekannt; rund 98 Prozent der André Koch-Kunden hätten ein Farbtonmessgerät. «Es ist fast unmöglich, nur nach Augenmass den richtigen Farbton zu treffen.» So gebe es allein für die Farbe Volkswagen-Silber LA7 W verschiedene Nuancen, die individuell abzu mischen seien, weil nicht jedes silberne Fahrzeug aus Wolfsburg gleich ist.
Weiss ist nicht einfach Weiss: Die Designabteilungen von Fahrzeugherstellern werden immer innovativer und fordern damit auch die Lackhersteller. Foto: Mazda
Zwei Jahre bis zur Formel
Die Digitalisierung ist eine wertvolle Unterstützung, auch in der Carrosseriewerkstatt. «Die gute Vorbereitung ist aber notwendig, damit das Messgerät mit 26 verschiedenen LED Farbfiltern in drei Winkeln gute Ergebnisse ausspielen kann», erklärt er. Die Daten werden mit der Datenbank und den über 250’000 Datensätzen abgeglichen. In der Datenbank können Lab-Werte, der Effekt und die Metamerie des Farbtones überprüft werden und die bestehende Formel wird digital korrigiert, so dass sie zum Fahrzeug angepasst wird. Das menschliche Auge prüft wenn nötig an hand eines Musterbleches die korrigierte Formel, so der Farbtonexperte.
Die Designabteilungen der Automobilhersteller fordern aber nicht nur die Datenbank und den Farbmischprozess heraus. Kommt ein neues Fahrzeug mit einer neuen Lackierung, ist die Standox-Coloristik im Headquarter gefordert. Zwar gibt es gewisse Unterstützung durch die OEM: Die Autohersteller stellen Muster zur Verfügung. Vom Designmuster über die Formel, bis zur Serienlackierung dauert es rund zwei Jahre, «Bei der Formelerstellung passieren die ersten Schritte am Computer, aber für den Feinschliff braucht es auch hier das menschliche Auge», erklärt Volker Wistorf.
So funktioniert Rhodium Weiss bei Mazda. Foto: Mazda
Hilfreiche Video-Tutorials
Die Lackhersteller unterstützen die Lackierbe triebe auf vielfältige Weise bei den modernen und komplexen Autolackierungen. So trifft das vollautomatische Farbmischsystem von Axalta «Irus Mix» in Sachen Farbtongenauigkeit und Zeitgewinnung für den Lackierer voll ins Schwarze. «Für eine bestimmte Lackierung eines Teslas mussten wir die Crew jedoch während eines Tages für dieses spezielle Verfahren schulen», weiss Wistorf zu berichten. Für die meisten Verfahren gibt es auf der Standox-Website Video-Tutorials mit guten Erklärungen. «Man muss verstehen, wie man vier bis fünf ganz dünne Schichten auftragen kann.» Für gewisse Sonderfarben braucht es sogar einen Sondereffort der Lackproduzenten, wie eine Anekdote verdeutlicht: «Wir hatten gesehen, dass Toyota einen Wagen mit einem eigenen Blau produziert. Toyota meinte, das Fahrzeug käme nicht nach Europa. Wir mussten das Farbpigment also in den USA bestellen und wir haben jetzt schon drei solche Fahrzeuge repariert.»
Nicht zu den 250’000 Formeln gehört übrigens jene Lackierung, die Rolls-Royce vor einigen Jahren unter anderem am Auto-Salon Genf präsentierte. Der Rolls-Royce Ghost mit der Speziallackierung «Diamond Stardust» hält, was der Name verspricht. Für die Lackierung wurden 1000 Diamanten zu feinstem Staub gemahlen und in der Lackierung mitverarbeitet. Und für das Finish brauchte es angeblich einen Eichhörnchenhaar-Pinsel. Damit dürften allein die Lackierkosten wohl gar den Preis des Fahrzeugs um ein Mehrfaches übersteigen.
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