Nicht nur Strom ist die Zukunft
Eine Entweder-oder-Rhetorik ist keine Lösung
20. Dezember 2022 agvs-upsa.ch – Im Jahr 2030 wird fast jedes zweite verkaufte Auto auf der Welt batterieelektrisch sein. Damit steigt die globale Nachfrage nach Strom. Ob jener nachhaltig produziert werden kann, scheint fraglich. Ein Experte für nachhaltige Mobilität sagt: «Der klimaneutrale Verbrenner sollte als Ergänzung verstanden werden, um eine höhere Geschwindigkeit bei der Abkehr von fossilen CO2-Emissionen zu erreichen.»
Ob der europäische Strom für Elektrofahrzeuge in den nächsten acht Jahren grün sein wird, bleibt fraglich. Foto: Unsplash
Mfi. Das Verbrenner-Verbot ist in aller Munde: Ab 2035 dürfen neu immatrikulierte Autos in der EU kein CO2 mehr ausstossen. Bei dieser Verordnung durch das Europäische Parlament werden als wichtigster Indikator die Emissionen als Massstab betrachtet, welche direkt aus dem Auspuff kommen: Die Zukunft der Mobilität soll rein elektrisch werden. Bereits ab 2030 dürfte darum laut einer Studie der Unternehmensberatungsfirma Price Waterhouse Cooper (PWC) jedes zweite neue Auto auf der Welt ein Elektrofahrzeug sein. Der globale Batteriebedarf wird somit im Verhältnis zu heute um nochmals etwa 35 Prozent ansteigen. Klar ist, dass mit diesem Anstieg der gesamten Batteriekapazität zwangsläufig der Bedarf an Strom steigt. Doch kann und wird dieser Strom auch aus erneuerbaren Quellen stammen? Denn das Elektrofahrzeug mit Kohlestrom zu betreiben, wäre nicht nur zynisch, sondern würde zudem die aktuelle Weichenstellung der EU rückwirkend massiv in Frage stellen. Ob die europäische Strominfrastruktur bis in acht Jahren in der Lage sein wird, den gesamten zusätzlichen Strom aus erneuerbaren Energien zu gewinnen, bleibt somit offen bis zweifelhaft. Björn Noack ist Director Sustainable Mobility Strategy bei Bosch und beschäftigt sich mit Themen rund um Mobilitätsstrategien für die Zukunft. Bereits im vergangenen Mai referierte er an den Hostettler «Autotechnik Days» in Luzern (LU) über die Zukunft der Antriebstechnologien. Während seines Referats sagte er, dass man die Energiesysteme in einem ersten Schritt defossilisieren müsse, Verbrenner aber auch in Zukunft weiterentwickeln solle: «Die momentane Klimastrategie der EU führt nicht zum Ziel.» Man müsse, so Noack, den Strom, der zum Laden benötigt wird, sowie die Energie, die man brauche, um Wasserstoff zu produzieren, aus erneuerbaren Energien gewinnen. Vorher sei nichts erreicht im Kampf gegen CO2-Emissionen.
Eines der grossen Hindernisse bei der grünen Elektrifizierung von Fahrzeugflotten sei, dass Ziele für erneuerbare Energien im Stromsektor oftmals separat zu denen im Verkehrssektor verfolgt werden, so der Bosch-Stratege: «Damit sind aktuell Batteriefahrzeuge auf dem Papier schon grün, obwohl es der Strom noch lange nicht sein wird. Ein konstruktiver Ansatz hierbei wäre, dass Elektroautofahrer immerhin durchgängig eine verlässliche Information der Stromherkunft an jedem Ladepunkt erhalten.» Begrüssenswert fände Noack ausserdem die Einführung einer «Well-To-Wheel»-Bilanz für eine differenziertere Betrachtung der verschiedenen Antriebstechnologien. Mittels einer Lebenszyklusanalyse – also von den Energie- und Materialaufwänden während der Herstellung des Fahrzeuges bis zum tagtäglichen Energieaufwand der Antriebstechnologie – könnte darüber hinaus genauer betrachten werden, welche Technologie während der ganzen Autolebensdauer wie viele Emissionen verursache. «Solche Bilanzen schaffen Transparenz und man kann unabhängig von der Antriebstechnologie klimabezogene Steuern auf den Individualverkehr erheben», sagt Noack. In Bezug auf das teils ultimativ erscheinende Verbrenner-Verbot – die Zukunft synthetischer E-Fuels ist EU-seitig noch höchst unklar – bleibe aber trotzdem ein wenig Hoffnung, was die Technologieoffenheit gegenüber alternativen Antrieben betreffe, meint Noack: «Auf der Seite der Antriebstechnologien gelten immerhin auch Brennstoffzellen- als Nullemissionsfahrzeuge. Diese werden mit Wasserstoff betrieben, und die Stromherstellung per Elektrolyse wird künftig eine wichtige Rolle im defossilisierten Energiesystem spielen, um sowohl die Ertragseffizienz von Windrädern und Fotovoltaikanlagen zu erhöhen wie auch die Netzstabilität sicherzustellen», erläutert der Mobilitätsstratege und führt weiter aus: «Zusätzlich lässt sich Wasserstoff aus Biomasse gewinnen, welche sich je nach Ausgangsstoff schlecht über lange Distanzen transportieren lässt.» Der Wasserstoff liesse sich somit in Zukunft dezentral vor Ort beim Erzeuger und zu wettbewerbsfähigen Kosten produzieren.
Noack beobachte unter den beiden oftmals gegensätzlichen Standpunkten von «electric only» und Technologieoffenheit eine Tendenz, sich in den Komfort einer «Entweder-oder-Rhetorik» zu betten: «Tatsächlich generiert das meiner Meinung nach keinen Mehrwert, und Europa läuft dabei Gefahr, international den Anschluss zu verlieren.» Für Noack ist klar, dass sowohl die Verkehrswende als auch die Elektrifizierung zu einem bemerkenswerten Rückgang des Bedarfs flüssiger Kraftstoffe führen. Zusätzlich würden innovative nicht fossile Kraftstoffe diesen Rückgang befeuern und vorantreiben. Diese konsequente Abkehr von fossilen Energieträgern müsse eigentlich am Schluss auch das Ziel sein, um den Klimaschutz wirklich voranzubringen, schliesst Noack.
Ob der europäische Strom für Elektrofahrzeuge in den nächsten acht Jahren grün sein wird, bleibt fraglich. Foto: Unsplash
Mfi. Das Verbrenner-Verbot ist in aller Munde: Ab 2035 dürfen neu immatrikulierte Autos in der EU kein CO2 mehr ausstossen. Bei dieser Verordnung durch das Europäische Parlament werden als wichtigster Indikator die Emissionen als Massstab betrachtet, welche direkt aus dem Auspuff kommen: Die Zukunft der Mobilität soll rein elektrisch werden. Bereits ab 2030 dürfte darum laut einer Studie der Unternehmensberatungsfirma Price Waterhouse Cooper (PWC) jedes zweite neue Auto auf der Welt ein Elektrofahrzeug sein. Der globale Batteriebedarf wird somit im Verhältnis zu heute um nochmals etwa 35 Prozent ansteigen. Klar ist, dass mit diesem Anstieg der gesamten Batteriekapazität zwangsläufig der Bedarf an Strom steigt. Doch kann und wird dieser Strom auch aus erneuerbaren Quellen stammen? Denn das Elektrofahrzeug mit Kohlestrom zu betreiben, wäre nicht nur zynisch, sondern würde zudem die aktuelle Weichenstellung der EU rückwirkend massiv in Frage stellen. Ob die europäische Strominfrastruktur bis in acht Jahren in der Lage sein wird, den gesamten zusätzlichen Strom aus erneuerbaren Energien zu gewinnen, bleibt somit offen bis zweifelhaft. Björn Noack ist Director Sustainable Mobility Strategy bei Bosch und beschäftigt sich mit Themen rund um Mobilitätsstrategien für die Zukunft. Bereits im vergangenen Mai referierte er an den Hostettler «Autotechnik Days» in Luzern (LU) über die Zukunft der Antriebstechnologien. Während seines Referats sagte er, dass man die Energiesysteme in einem ersten Schritt defossilisieren müsse, Verbrenner aber auch in Zukunft weiterentwickeln solle: «Die momentane Klimastrategie der EU führt nicht zum Ziel.» Man müsse, so Noack, den Strom, der zum Laden benötigt wird, sowie die Energie, die man brauche, um Wasserstoff zu produzieren, aus erneuerbaren Energien gewinnen. Vorher sei nichts erreicht im Kampf gegen CO2-Emissionen.
Eines der grossen Hindernisse bei der grünen Elektrifizierung von Fahrzeugflotten sei, dass Ziele für erneuerbare Energien im Stromsektor oftmals separat zu denen im Verkehrssektor verfolgt werden, so der Bosch-Stratege: «Damit sind aktuell Batteriefahrzeuge auf dem Papier schon grün, obwohl es der Strom noch lange nicht sein wird. Ein konstruktiver Ansatz hierbei wäre, dass Elektroautofahrer immerhin durchgängig eine verlässliche Information der Stromherkunft an jedem Ladepunkt erhalten.» Begrüssenswert fände Noack ausserdem die Einführung einer «Well-To-Wheel»-Bilanz für eine differenziertere Betrachtung der verschiedenen Antriebstechnologien. Mittels einer Lebenszyklusanalyse – also von den Energie- und Materialaufwänden während der Herstellung des Fahrzeuges bis zum tagtäglichen Energieaufwand der Antriebstechnologie – könnte darüber hinaus genauer betrachten werden, welche Technologie während der ganzen Autolebensdauer wie viele Emissionen verursache. «Solche Bilanzen schaffen Transparenz und man kann unabhängig von der Antriebstechnologie klimabezogene Steuern auf den Individualverkehr erheben», sagt Noack. In Bezug auf das teils ultimativ erscheinende Verbrenner-Verbot – die Zukunft synthetischer E-Fuels ist EU-seitig noch höchst unklar – bleibe aber trotzdem ein wenig Hoffnung, was die Technologieoffenheit gegenüber alternativen Antrieben betreffe, meint Noack: «Auf der Seite der Antriebstechnologien gelten immerhin auch Brennstoffzellen- als Nullemissionsfahrzeuge. Diese werden mit Wasserstoff betrieben, und die Stromherstellung per Elektrolyse wird künftig eine wichtige Rolle im defossilisierten Energiesystem spielen, um sowohl die Ertragseffizienz von Windrädern und Fotovoltaikanlagen zu erhöhen wie auch die Netzstabilität sicherzustellen», erläutert der Mobilitätsstratege und führt weiter aus: «Zusätzlich lässt sich Wasserstoff aus Biomasse gewinnen, welche sich je nach Ausgangsstoff schlecht über lange Distanzen transportieren lässt.» Der Wasserstoff liesse sich somit in Zukunft dezentral vor Ort beim Erzeuger und zu wettbewerbsfähigen Kosten produzieren.
Noack beobachte unter den beiden oftmals gegensätzlichen Standpunkten von «electric only» und Technologieoffenheit eine Tendenz, sich in den Komfort einer «Entweder-oder-Rhetorik» zu betten: «Tatsächlich generiert das meiner Meinung nach keinen Mehrwert, und Europa läuft dabei Gefahr, international den Anschluss zu verlieren.» Für Noack ist klar, dass sowohl die Verkehrswende als auch die Elektrifizierung zu einem bemerkenswerten Rückgang des Bedarfs flüssiger Kraftstoffe führen. Zusätzlich würden innovative nicht fossile Kraftstoffe diesen Rückgang befeuern und vorantreiben. Diese konsequente Abkehr von fossilen Energieträgern müsse eigentlich am Schluss auch das Ziel sein, um den Klimaschutz wirklich voranzubringen, schliesst Noack.
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