Jürgen Stackmann (55) ist Teil des neuen Volkwagen-Führungsteams, das nach der Dieselkrise und dem Abgang von Martin Winterkorn gebildet wurde. Er ist Mitglied des VW-Markenvorstands und dort für die Bereiche Vertrieb, Marketing und After Sales zuständig. AUTOINSIDE traf den Automanager an der Amag-Jahrespressekonferenz. Mario Borri, Redaktion
Herr Stackmann, was ist der letzte Stand bei der Abgaskrise?
Jürgen Stackmann: Von den insgesamt weltweit rund 8,5 Millionen Fahrzeugen der betroffenen Volkswagen-Konzernmarken wurden bisher gut 2,5 Millionen erfolgreich umgerüstet. Das ist ein Anteil von knapp 30 Prozent. Nicht ganz so weit sind wir mit der Marke VW. Von den total knapp 5,9 Millionen betroffenen Modellen sind bisher mehr als 1,4 Millionen umgerüstet. Diese Quote beträgt nahezu 23 Prozent. Doch Anfang Januar hat das Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg alle Freigaben zur Umrüstung der EA189-VW-Diesel mit EU5-Typgenehmigung erteilt. Nun können unsere Werkstätten Vollgas geben.
Welche Auswirkungen von der Krise sind heute noch zu spüren?
Auf die Zulassungszahlen hat die Diesel-Affäre praktisch keine Auswirkungen, wie die Statistiken zeigen. Der gesamte Konzern hat im Jahr 2016 mehr als 10,3 Millionen Fahrzeuge ausgeliefert, das sind knapp vier Prozent mehr als 2015. Die Marke VW kam auf knapp sechs Millionen Zulassungen, drei Prozent mehr als im Vorjahr. In einigen wichtigen Märkten wie Deutschland, der Schweiz und den USA sind die Verkäufe allerdings zurückgegangen, mit 7,2 Prozent am deutlichsten im Heimmarkt Deutschland. Hier – und in allen anderen Märkten natürlich auch – müssen wir das verlorene Kundenvertrauen wieder aufbauen und zurückgewinnen. Das geht nicht von heute auf morgen. Die Verunsicherung bei unseren Kunden nimmt allerdings langsam ab, denn wie erwähnt sind die technischen Lösungen verfügbar und die Umrüstung in vollem Gange. Das ist ein wichtiger Schritt, mit dem wir zeigen, dass wir die Sache in Ordnung bringen und unsere Kunden keine Nachteile befürchten müssen.
Welche Lehren hat VW daraus gezogen?
Volkswagen ist eine Marke mit riesigen Potenzialen. Es geht heute zuallererst um konsequente Aufklärung von Regelverstössen – sofern vorhanden. Dann um Lösungen für unsere Kunden und um eine wesentliche Erneuerung der Marke in den Bereichen Führung, Prozesse und Strukturen – auch als Konsequenz aus den Vorkommnissen. Dadurch werden wir als Ergebnis bessere Prozesse haben und wir werden noch schneller sowie konsequenter an den Zukunftsthemen der Mobilität arbeiten können. All das wird die Marke Volkswagen mittel- bis langfristig stärken.
Was werden die Highlights am VW-Stand am Auto-Salon Genf 2017 sein?
Zum einen der überarbeitete Golf VII, der vor allem in Sachen Vernetzung gegenüber dem Vorgänger deutlich zugelegt hat. Ausserdem feiert unser neues Topmodell Arteon Weltpremiere. Zuviel möchte ich über die neue Limousine aber noch nicht verraten. Nachdem der Tiguan LWB mit verlängertem Radstand und sieben Sitzen sowie der Showcar ID-Buzz an US-Messen gezeigt wurden, feiern sie nun am Genfer Auto-Salon Europapremiere. Speziell für die Schweiz werden wir die Carsharing-Plattform «Catch a Car» vorstellen, an der wir zu 35 Prozent beteiligt sind.
Welches sind die grössten Herausforderungen, denen sich die Autobranche in Zukunft stellen muss?
Wir müssen uns in Zukunft einerseits mit neuen, industriefremden Wettbewerbern wie Google und Apple auseinandersetzen. Andererseits gilt es, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, denn Nutzen ist das neue Besitzen. Und schliesslich muss sich die Branche den gesellschaftlichen Veränderungen anpassen.
Was meinen Sie konkret mit gesellschaftlichen Veränderungen?
Zum Beispiel, dass das Auto als Statussymbol und das selber Fahren stetig an Bedeutung verlieren. Und die sogenannte Greenovator-Bewegung gleichzeitig immer wichtiger wird.
Greenovators?
Ja, das sind Menschen, die ganzheitliche ökologische Mobilitätskonzepte wollen, die auf das persönliche Wohlbefinden und das Wohl der Gesellschaft ausgerichtet sind.
Wie muss die Branche auf diese Veränderungen reagieren?
Aus den erwähnten Herausforderungen leiten sich vier grosse Handlungsfelder ab, denen sich die gesamte Autoindustrie verstärkt annehmen muss: Elektromobilität, Digitalisierung und Vernetzung, autonomes Fahren sowie Mobilitätsdienstleistungen.
Was für die Branche allgemein gilt, gilt auch für VW. Vor welchen Herausforderungen steht die Marke im Speziellen?
Einerseits wollen und müssen wir unsere «Transform-2025+-Strategie» umsetzen und als Teil dessen die Markenstrategie im Vertrieb, in den Regionen und in den Produkten vorantreiben. Doch das ist nur dann erfolgreich möglich, wenn wir schnell sind, das entsprechende Know-how aufbauen, zum Beispiel mit IT-Spezialisten für die Dienste-Entwicklung, und gleichzeitig unsere Kosten weiter senken. Andererseits steht Volkswagen zusammen mit dem Handel vor der Herausforderung, die Rückrufaktion der betroffenen Dieselfahrzeuge weiter erfolgreich und zur vollen Zufriedenheit voranzubringen. Und ganz nebenbei gilt es, die Einführung einer ganzen Palette neuer Produkte erfolgreich umzusetzen.
Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Rolle des Garagisten in Zukunft gestalten?
Die Herausforderungen der Zukunft – e-Mobilität und Digitalisierung – werden auch die Rolle des Garagisten beeinflussen und verändern. Allerdings wird das sukzessive geschehen. In 2025 gehen wir von etwa 20 bis 25 Prozent neu verkauften Elektrofahrzeugen – reine Batteriefahrzeuge und Hybride – aus. Daraus wird sich ein gewisses Umsatzrisiko im After Sales ergeben. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass der dann bestehende Fahrzeugpark sowie der deutlich überwiegende Teil an Neufahrzeugen weiterhin Verbrenner sein werden, die entsprechend gewartet und repariert werden müssen. Auf der Kundenseite werden die Käufer und Nutzer immer mehr selbst entscheiden, wie und von wem sie sich nach ihren Wünschen betreuen lassen wollen. Beim Fahrzeugkauf oder der Inanspruchnahme von Mobilitätsservices, im After Sales, online oder offline – die Möglichkeiten werden individueller und vielfältiger. Es gilt, die Prozesse noch kundenbedarfs- und kundennutzengerechter auszugestalten.
nach oben
Herr Stackmann, was ist der letzte Stand bei der Abgaskrise?
Jürgen Stackmann: Von den insgesamt weltweit rund 8,5 Millionen Fahrzeugen der betroffenen Volkswagen-Konzernmarken wurden bisher gut 2,5 Millionen erfolgreich umgerüstet. Das ist ein Anteil von knapp 30 Prozent. Nicht ganz so weit sind wir mit der Marke VW. Von den total knapp 5,9 Millionen betroffenen Modellen sind bisher mehr als 1,4 Millionen umgerüstet. Diese Quote beträgt nahezu 23 Prozent. Doch Anfang Januar hat das Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg alle Freigaben zur Umrüstung der EA189-VW-Diesel mit EU5-Typgenehmigung erteilt. Nun können unsere Werkstätten Vollgas geben.
Welche Auswirkungen von der Krise sind heute noch zu spüren?
Auf die Zulassungszahlen hat die Diesel-Affäre praktisch keine Auswirkungen, wie die Statistiken zeigen. Der gesamte Konzern hat im Jahr 2016 mehr als 10,3 Millionen Fahrzeuge ausgeliefert, das sind knapp vier Prozent mehr als 2015. Die Marke VW kam auf knapp sechs Millionen Zulassungen, drei Prozent mehr als im Vorjahr. In einigen wichtigen Märkten wie Deutschland, der Schweiz und den USA sind die Verkäufe allerdings zurückgegangen, mit 7,2 Prozent am deutlichsten im Heimmarkt Deutschland. Hier – und in allen anderen Märkten natürlich auch – müssen wir das verlorene Kundenvertrauen wieder aufbauen und zurückgewinnen. Das geht nicht von heute auf morgen. Die Verunsicherung bei unseren Kunden nimmt allerdings langsam ab, denn wie erwähnt sind die technischen Lösungen verfügbar und die Umrüstung in vollem Gange. Das ist ein wichtiger Schritt, mit dem wir zeigen, dass wir die Sache in Ordnung bringen und unsere Kunden keine Nachteile befürchten müssen.
Welche Lehren hat VW daraus gezogen?
Volkswagen ist eine Marke mit riesigen Potenzialen. Es geht heute zuallererst um konsequente Aufklärung von Regelverstössen – sofern vorhanden. Dann um Lösungen für unsere Kunden und um eine wesentliche Erneuerung der Marke in den Bereichen Führung, Prozesse und Strukturen – auch als Konsequenz aus den Vorkommnissen. Dadurch werden wir als Ergebnis bessere Prozesse haben und wir werden noch schneller sowie konsequenter an den Zukunftsthemen der Mobilität arbeiten können. All das wird die Marke Volkswagen mittel- bis langfristig stärken.
Was werden die Highlights am VW-Stand am Auto-Salon Genf 2017 sein?
Zum einen der überarbeitete Golf VII, der vor allem in Sachen Vernetzung gegenüber dem Vorgänger deutlich zugelegt hat. Ausserdem feiert unser neues Topmodell Arteon Weltpremiere. Zuviel möchte ich über die neue Limousine aber noch nicht verraten. Nachdem der Tiguan LWB mit verlängertem Radstand und sieben Sitzen sowie der Showcar ID-Buzz an US-Messen gezeigt wurden, feiern sie nun am Genfer Auto-Salon Europapremiere. Speziell für die Schweiz werden wir die Carsharing-Plattform «Catch a Car» vorstellen, an der wir zu 35 Prozent beteiligt sind.
Welches sind die grössten Herausforderungen, denen sich die Autobranche in Zukunft stellen muss?
Wir müssen uns in Zukunft einerseits mit neuen, industriefremden Wettbewerbern wie Google und Apple auseinandersetzen. Andererseits gilt es, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, denn Nutzen ist das neue Besitzen. Und schliesslich muss sich die Branche den gesellschaftlichen Veränderungen anpassen.
Was meinen Sie konkret mit gesellschaftlichen Veränderungen?
Zum Beispiel, dass das Auto als Statussymbol und das selber Fahren stetig an Bedeutung verlieren. Und die sogenannte Greenovator-Bewegung gleichzeitig immer wichtiger wird.
Greenovators?
Ja, das sind Menschen, die ganzheitliche ökologische Mobilitätskonzepte wollen, die auf das persönliche Wohlbefinden und das Wohl der Gesellschaft ausgerichtet sind.
Wie muss die Branche auf diese Veränderungen reagieren?
Aus den erwähnten Herausforderungen leiten sich vier grosse Handlungsfelder ab, denen sich die gesamte Autoindustrie verstärkt annehmen muss: Elektromobilität, Digitalisierung und Vernetzung, autonomes Fahren sowie Mobilitätsdienstleistungen.
Was für die Branche allgemein gilt, gilt auch für VW. Vor welchen Herausforderungen steht die Marke im Speziellen?
Einerseits wollen und müssen wir unsere «Transform-2025+-Strategie» umsetzen und als Teil dessen die Markenstrategie im Vertrieb, in den Regionen und in den Produkten vorantreiben. Doch das ist nur dann erfolgreich möglich, wenn wir schnell sind, das entsprechende Know-how aufbauen, zum Beispiel mit IT-Spezialisten für die Dienste-Entwicklung, und gleichzeitig unsere Kosten weiter senken. Andererseits steht Volkswagen zusammen mit dem Handel vor der Herausforderung, die Rückrufaktion der betroffenen Dieselfahrzeuge weiter erfolgreich und zur vollen Zufriedenheit voranzubringen. Und ganz nebenbei gilt es, die Einführung einer ganzen Palette neuer Produkte erfolgreich umzusetzen.
Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Rolle des Garagisten in Zukunft gestalten?
Die Herausforderungen der Zukunft – e-Mobilität und Digitalisierung – werden auch die Rolle des Garagisten beeinflussen und verändern. Allerdings wird das sukzessive geschehen. In 2025 gehen wir von etwa 20 bis 25 Prozent neu verkauften Elektrofahrzeugen – reine Batteriefahrzeuge und Hybride – aus. Daraus wird sich ein gewisses Umsatzrisiko im After Sales ergeben. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass der dann bestehende Fahrzeugpark sowie der deutlich überwiegende Teil an Neufahrzeugen weiterhin Verbrenner sein werden, die entsprechend gewartet und repariert werden müssen. Auf der Kundenseite werden die Käufer und Nutzer immer mehr selbst entscheiden, wie und von wem sie sich nach ihren Wünschen betreuen lassen wollen. Beim Fahrzeugkauf oder der Inanspruchnahme von Mobilitätsservices, im After Sales, online oder offline – die Möglichkeiten werden individueller und vielfältiger. Es gilt, die Prozesse noch kundenbedarfs- und kundennutzengerechter auszugestalten.
Strategie «Transform 2025+»
Volkswagen stellt sich grundlegend neu auf. Dafür hat der Markenvorstand Ende November 2016 die Strategie «Transform 2025+» beschlossen. Sie gibt den Kurs für die nächste Dekade und darüber hinaus vor. Im Mittelpunkt stehen die Schärfung der Markenpositionierung über Regionen und Segmente hinweg, flankiert von einer deutlichen Effizienz- und Produktivitätssteigerung. Gleichzeitig wird die Marke massiv in Elektromobilität und Konnektivität investieren. Begeisterte Kunden, zukunftssichernde Ertragskraft, nachhaltige Mobilität und eine neue Teamkultur sind die Grundlage für den Weg der Marke Volkswagen in die Zukunft. Das neue, international gültige Leitbild heisst «Volkswagen: Moving People Forward»
Volkswagen stellt sich grundlegend neu auf. Dafür hat der Markenvorstand Ende November 2016 die Strategie «Transform 2025+» beschlossen. Sie gibt den Kurs für die nächste Dekade und darüber hinaus vor. Im Mittelpunkt stehen die Schärfung der Markenpositionierung über Regionen und Segmente hinweg, flankiert von einer deutlichen Effizienz- und Produktivitätssteigerung. Gleichzeitig wird die Marke massiv in Elektromobilität und Konnektivität investieren. Begeisterte Kunden, zukunftssichernde Ertragskraft, nachhaltige Mobilität und eine neue Teamkultur sind die Grundlage für den Weg der Marke Volkswagen in die Zukunft. Das neue, international gültige Leitbild heisst «Volkswagen: Moving People Forward»
Steckbrief
Jürgen Stackmann (Jahrgang 1961) ist gelernter Bankkaufmann und Diplom-Betriebswirt. Seine berufliche Laufbahn begann er 1989 bei Ford. Dort trug er in verschiedenen Funktionen in Deutschland und Grossbritannien Verantwortung, unter anderem als Direktor Marketing, Werke Deutschland, und als Vice President Marketing bei Ford Europa in London.
Zum Volkswagen-Konzern kam Stackmann 2010, wo er zunächst als Mitglied des Markenvorstandes von Skoda Vertrieb und Marketing verantwortete. Ab September 2012 leitete Stackmann das Marketing des Volkswagen-Konzerns und der Marke Volkswagen Pw. Zum 1. Mai 2013 wurde er zum Vorstandsvorsitzenden von Seat berufen. Seit 1. November 2015 leitet Stackmann als Mitglied des Markenvorstandes Volkswagen Pw die Geschäftsbereiche «Vertrieb, Marketing und After Sales».
«Elektromobilität und Digitalisierung werden auch die Rolle des Garagisten beeinflussen und verändern. Allerdings wird das sukzessive geschehen.»
Jürgen Stackmann (Jahrgang 1961) ist gelernter Bankkaufmann und Diplom-Betriebswirt. Seine berufliche Laufbahn begann er 1989 bei Ford. Dort trug er in verschiedenen Funktionen in Deutschland und Grossbritannien Verantwortung, unter anderem als Direktor Marketing, Werke Deutschland, und als Vice President Marketing bei Ford Europa in London.
Zum Volkswagen-Konzern kam Stackmann 2010, wo er zunächst als Mitglied des Markenvorstandes von Skoda Vertrieb und Marketing verantwortete. Ab September 2012 leitete Stackmann das Marketing des Volkswagen-Konzerns und der Marke Volkswagen Pw. Zum 1. Mai 2013 wurde er zum Vorstandsvorsitzenden von Seat berufen. Seit 1. November 2015 leitet Stackmann als Mitglied des Markenvorstandes Volkswagen Pw die Geschäftsbereiche «Vertrieb, Marketing und After Sales».
«Elektromobilität und Digitalisierung werden auch die Rolle des Garagisten beeinflussen und verändern. Allerdings wird das sukzessive geschehen.»
nach oben