Interview mit Mario Gutmann
«Es geht nur um die Vermeidung von Strafzahlungen»
9. Januar 2020 agvs-upsa.ch – Die Robert Bosch GmbH in Bamberg (D) ist im weltweiten Verbund der Bosch-Standorte Leitwerk für Einspritzsysteme für Benzin- und Dieselmotoren und mit mehr als 7000 Beschäftigten der grösste Produktionsstandort in Deutschland. Bosch will das Werk in Bayern zu einem Standort für die Produktion von Brennstoffzellen ausbauen. Mario Gutmann ist Betriebsratsvorsitzender und kritisiert die seiner Ansicht nach einseitige Förderung der Elektromobilität.
sco/jas. Herr Gutmann, personalisierte, vernetzte, automatisierte Mobilität, eine steigende Vielfalt an Antriebssystemen. Besteht als Zulieferer da die Gefahr, sich zu verzetteln?
Mario Gutmann, Betriebsratsvorsitzender Robert Bosch GmbH in Bamberg: Das muss man differenziert betrachten: Der Zulieferer liefert das, was der Markt vorgibt, und den Markt bestimmen immer noch die OEMs, also die Automobilhersteller. Die Schwierigkeit ist, dass diese Hersteller nicht technologieoffen agieren, sondern die Entwicklung einseitig in Richtung Elektrifizierung auf Grundlage der Lithium-Ionen-Batterie treiben. Wir Zulieferer stehen in der zweiten Reihe; wir sind nicht die Treiber dieser Entwicklung, sondern vielmehr die Getriebenen.
Gilt das nicht auch für die Hersteller? Diese sind die Getriebenen der Politik.
Das ist richtig. Und die gesamte Entwicklung läuft unter der Überschrift «CO2». Will man als Hersteller die Flottenziele von 95 Gramm CO2 pro Kilometer erreichen, dann benötigt man aus heutiger Sicht die E-Mobilität, weil Elektrofahrzeuge mit einem CO2-Ausstoss von Null in diese Flotten eingerechnet werden. Das Problem dabei ist: Diese null Gramm sind schlicht und einfach falsch. Wenn man das E-Fahrzeug von der Entstehung bis zur Entsorgung betrachtet, dann ist es nicht CO2-frei, sondern erzeugt genauso CO2 wie Fahrzeuge mit anderen Antriebstechnologien auch. Unterm Strich ist die Elektrifizierung nichts anderes als ein Ablassbrief der Hersteller nach Brüssel. Die Hersteller müssen ab 2020 pro Fahrzeug und Gramm, um das sie den Zielwert verfehlen, 95 Euro nach Brüssel überweisen. Ihnen drohen hohe zweistellige Milliardensummen an Strafzahlungen. Diese wollen sie um jeden Preis vermeiden und speisen deshalb die batterieelektrischen Fahrzeuge mit den von der Politik erlaubten 0 Gramm CO2 in ihre Flotten ein. Es geht um nichts anderes als um die Vermeidung von Strafzahlungen.
Schaffen die deutschen Hersteller das?
Nein, ganz sicher nicht. Wenn es in der Diskussion aber wirklich um CO2-freie Mobilität ginge, dann würde man die rund 47 Millionen Verbrenner, die in Deutschland bereits auf der Strasse sind, mit synthetischen Brennstoffen CO2-frei betreiben. Und dazu müssten wir die Power-to-Gas-Technologie fördern. Aber das Thema CO2-freie Mobilität wird nur in die Richtung des batterieelektrischen Fahrens befeuert. Das macht es extrem schwierig, in andere Richtungen nach dem Prinzip der Technologieoffenheit etwas zu unternehmen.
Wie erklären Sie sich diese einseitige Diskussion und diese einseitige Förderung der E-Mobilität?
Wenn man als Automobilhersteller Elektrofahrzeuge mit 0 Gramm CO2 in seine Flotte einrechnen darf und Strafzahlungen vermeiden will, dann setzt man halt nur auf das eine Pferd. Dahinter steht aus meiner Sicht einfacher, aber sehr erfolgreicher Lobbyismus. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, warum zugelassen wird, dass der Verbraucher so offensichtlich in die Irre geführt wird: Wenn ein batterieelektrisches Fahrzeug mit 0 Gramm CO2 in die Flottenziele eingerechnet werden darf, unabhängig von der Fahrzeug- und Energieproduktion, dann ist das Augenwischerei. Das stört mich enorm.
Bosch steigt in Bamberg in die Serienfertigung von Brennstoffzellen für PW und LKW ein.
Sie sagen, dass man die 47 Millionen Verbrenner in Deutschland mit synthetischen Treibstoffen CO2-neutral betreiben könnte. Das ist doch höchstens Zukunftsmusik.
Das ist richtig, die Kapazitäten sind heute noch nicht ausreichen vorhanden, aber man muss doch mal einen ersten Schritt machen. Es gibt den sogenannten R33 Blue Diesel, der zu 33 Prozent aus erneuerbaren Treibstoffkomponenten besteht, womit man den CO2-Ausstoss um mindestens 20 Prozent senken kann. Dieser Ansatz lässt sich skalieren, dafür muss man aber einfach mal damit beginnen! Lässt man den synthetischen Treibstoffen keinen Raum, dann können sie sich auch nicht entfalten. Das ist ein klassisches Henne-Ei-Problem.
Vor einigen Wochen fand in der Schweiz im Rahmen des Nutzfahrzeugsalons Transport-CH das Mobility-Forum statt. Dort äusserte Bastien Girod, Nationalrat der Grünen Partei, die Ansicht, dass die E-Fuels gegenüber dem batterieelektrischen Antrieb schon verloren hätten. Wie sehen Sie das?
Innovationsfortschritte kann man nur machen, wenn die Politik die Entwicklung stützt. Momentan wird von dieser Seite eher blockiert. Ich erinnere daran, dass von den Autos, die heute auf der Strasse sind, in zehn Jahren immer noch rund 50 Prozent fahren werden. Man bekommt diese Fahrzeuge ja nicht einfach so weg. Auch 2030 werden noch mindestens 80 Prozent Verbrenner auf der Strasse unterwegs sein. Im Schnitt fährt man ein Auto 15 bis 18 Jahre – Zweit-, Dritt- und Viertbesitzer eingerechnet. Die Autos, die wir heute kaufen, sind also in zehn Jahren immer noch auf der Strasse. Wie soll das mit der E-Mobilität vor diesem Hintergrund funktionieren?
Dann würde es Ihrer Meinung nach Sinn machen, in E-Fuels zu investieren, weil man genau diese 80 Prozent damit betreiben könnte?
Sehen Sie, hier liegt der Knackpunkt! Wenn man das umsetzten wollen würde, kauft kein Mensch ein Elektrofahrzeug. Diese will man jedoch auf Teufel komm raus etablieren und dafür muss man das Alte schlechtreden.
Wo sehen Sie die deutsche Autoindustrie 2035?
Das weiss heute niemand. Ich glaube, dass es auf der Strasse einen Mix geben wird, aus heutigen Verbrennern, Hybriden, batterieelektrischen und wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen. Auch batterieelektrische Fahrzeuge haben ihre Daseinsberechtigung, gerade in urbanen Gegenden, wo kleine Reichweiten ausreichen. Aber wir werden das Thema Brennstoffzelle nicht vermeiden können, denn Trucks oder Langstreckenfahrzeuge kann man mit einer Batterie nicht sinnvoll betreiben. Und hier kommt noch ein weiteres Thema hinzu: Egal, ob Sie von synthetischen Kraftstoffen, von Batterien oder von Brennstoffzellen reden: Um die Technologien in Richtung CO2-Neutralität zu bewegen, brauchen wir erneuerbare Energien. Und bevor man sich das Standbein Verbrennungsmotor absägt, auf dem man seitens der Industrie gut aufgestellt ist, sollte man die Basis – also erneuerbaren Strom – für diese neue Technologie haben. Diese haben wir derzeit leider nicht. Und dann ergibt sich ein zusätzliches Problem: Der erneuerbare Strom muss irgendwo gespeichert werden, auch das machen wir heute noch nicht. Aus diesem Grund stehen bei uns auch die Windräder still, selbst, wenn Wind weht. Die elektrische Energie muss also umgewandelt werden in Medien, die diese auch speichern können. Ein solches Medium wäre Wasserstoff für das Befeuern einer Brennstoffzelle oder synthetische Kraftstoffe für das Betreiben eines Verbrennungsmotors. Die Batterie eines Elektrofahrzeugs ist für die Speicherung von Energie denkbar schlecht geeignet, vor allem, wenn es um die Speicherung grosser Energiemengen geht. Zum einen erfordert das einen grössere und damit schwerere Batterie, zum anderen geht beim Ladevorgang Energie verloren, insbesondere bei hoher Ladegeschwindigkeit.
Die Robert Bosch GmbH ist der grösste Arbeitgeber der Stadt Bamberg.
Deutschland zahlt jedes Jahr hunderte Millionen Euro Entschädigungszahlungen an die Betreiber von Windkraftwerken, weil diese zu Spitzenzeiten ihren Strom nicht in die Netze einspeisen können.
Korrekt. Wenn Sie Windräder stillstehen sehen, dann liegt das nicht daran, dass kein Wind weht, sondern weil die Räder so in den Wind gestellt sind, dass sie keinen Strom produzieren. Warum? Weil das Netz diesen gar nicht aufnehmen kann. Energie zu erzeugen und zu speichern, ist die Lösung. Und hier kommen wieder synthetische Treibstoffe ins Spiel. Um sie herzustellen, braucht es Wasser, bestmöglich Strom aus erneuerbaren Energien und CO2. Das bedeutet, Überschussstrom aus regenerativen Quellen, der heute nicht gespeichert werden kann, kann durch die Produktion von sogenannten E-Fuels langfristig speicherbar gemacht werden und damit helfen das Problem der Energiespeicherung zu beheben. Das kann die Batterie eines Elektroautos nicht leisten. Im Gegenteil, würden in Deutschland gleichzeitig 1 Million Autofahrer ihre E-Fahrzeuge tanken wollen, bräuchten wir das sechsfache der heutigen Netzkapazität – womöglich noch erneuerbar. Die ganze Elektro-Offensive ist von hinten bis vorne nicht durchdacht.
Wenn Sie jetzt so glühend für synthetische Treibstoffe argumentieren, könnte ich entgegen: Sie sind nicht glaubwürdig als Vertreter von Bosch. Sie sind Partei.
Ja, bei Bosch in Bamberg hängen wir zu 100 Prozent am Verbrenner. Aber wir brauchen den Verbrenner als Übergangstechnologie nach wie vor. Sie können nicht mit dem Finger schnippen und morgen fahren wir alle elektrisch, mit Brennstoffzellen oder E-Fuels. Diese Transformation braucht Zeit. Wir müssen das Bestehende optimieren und uns technologieoffen auf die neuen Themen ausrichten. Aber das geht nicht von heute auf morgen. Fakt ist, dass weltweit immer weniger Fahrzeuge verkauft werden. Das hängt einerseits mit der Mobilitätsoffensive im öffentlichen Verkehr zusammen und einem veränderten Mobilitätsverhalten in der Gesellschaft insgesamt, auf der anderen Seite weiss heute keiner, was er kaufen soll: Verbrenner? Hybrid? Elektro? Oder soll ich auf die Brennstoffzelle warten? Das alles hemmt das Wachstum.
Was auffällt: Wenn man auf Ihrer Website nach offenen Stellen sucht, findet man fast nur Praktikumsjobs. Ist das ein Ausdruck dieser Stagnation?
Von der Fertigungstiefe her arbeiten bei uns ungefähr zehn Personen am Diesel, drei Personen am Benziner und in der Elektrifizierung noch eine. Damit ist Ihre Frage schon beantwortet: Die Elektrifizierung wird Arbeitsplätze kosten – und zwar neun von zehn. Dass es angesichts dieser Entwicklung wenig Sinn ergibt, Leute einzustellen, muss ich wohl nicht erklären. Wir haben erkannt, dass der Verbrenner irgendwann endlich ist und wir uns auf neue Wege machen müssen. Aber ich kenne kein Erzeugnis, das in absehbarer Zukunft so viel Beschäftigung generiert wie der Diesel. Das ist fatal – für uns und für die gesamte Automobilindustrie.
Bleiben Sie auf dem Laufenden und abonnieren Sie den AGVS-Newsletter!
sco/jas. Herr Gutmann, personalisierte, vernetzte, automatisierte Mobilität, eine steigende Vielfalt an Antriebssystemen. Besteht als Zulieferer da die Gefahr, sich zu verzetteln?
Mario Gutmann, Betriebsratsvorsitzender Robert Bosch GmbH in Bamberg: Das muss man differenziert betrachten: Der Zulieferer liefert das, was der Markt vorgibt, und den Markt bestimmen immer noch die OEMs, also die Automobilhersteller. Die Schwierigkeit ist, dass diese Hersteller nicht technologieoffen agieren, sondern die Entwicklung einseitig in Richtung Elektrifizierung auf Grundlage der Lithium-Ionen-Batterie treiben. Wir Zulieferer stehen in der zweiten Reihe; wir sind nicht die Treiber dieser Entwicklung, sondern vielmehr die Getriebenen.
Gilt das nicht auch für die Hersteller? Diese sind die Getriebenen der Politik.
Das ist richtig. Und die gesamte Entwicklung läuft unter der Überschrift «CO2». Will man als Hersteller die Flottenziele von 95 Gramm CO2 pro Kilometer erreichen, dann benötigt man aus heutiger Sicht die E-Mobilität, weil Elektrofahrzeuge mit einem CO2-Ausstoss von Null in diese Flotten eingerechnet werden. Das Problem dabei ist: Diese null Gramm sind schlicht und einfach falsch. Wenn man das E-Fahrzeug von der Entstehung bis zur Entsorgung betrachtet, dann ist es nicht CO2-frei, sondern erzeugt genauso CO2 wie Fahrzeuge mit anderen Antriebstechnologien auch. Unterm Strich ist die Elektrifizierung nichts anderes als ein Ablassbrief der Hersteller nach Brüssel. Die Hersteller müssen ab 2020 pro Fahrzeug und Gramm, um das sie den Zielwert verfehlen, 95 Euro nach Brüssel überweisen. Ihnen drohen hohe zweistellige Milliardensummen an Strafzahlungen. Diese wollen sie um jeden Preis vermeiden und speisen deshalb die batterieelektrischen Fahrzeuge mit den von der Politik erlaubten 0 Gramm CO2 in ihre Flotten ein. Es geht um nichts anderes als um die Vermeidung von Strafzahlungen.
Schaffen die deutschen Hersteller das?
Nein, ganz sicher nicht. Wenn es in der Diskussion aber wirklich um CO2-freie Mobilität ginge, dann würde man die rund 47 Millionen Verbrenner, die in Deutschland bereits auf der Strasse sind, mit synthetischen Brennstoffen CO2-frei betreiben. Und dazu müssten wir die Power-to-Gas-Technologie fördern. Aber das Thema CO2-freie Mobilität wird nur in die Richtung des batterieelektrischen Fahrens befeuert. Das macht es extrem schwierig, in andere Richtungen nach dem Prinzip der Technologieoffenheit etwas zu unternehmen.
Wie erklären Sie sich diese einseitige Diskussion und diese einseitige Förderung der E-Mobilität?
Wenn man als Automobilhersteller Elektrofahrzeuge mit 0 Gramm CO2 in seine Flotte einrechnen darf und Strafzahlungen vermeiden will, dann setzt man halt nur auf das eine Pferd. Dahinter steht aus meiner Sicht einfacher, aber sehr erfolgreicher Lobbyismus. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, warum zugelassen wird, dass der Verbraucher so offensichtlich in die Irre geführt wird: Wenn ein batterieelektrisches Fahrzeug mit 0 Gramm CO2 in die Flottenziele eingerechnet werden darf, unabhängig von der Fahrzeug- und Energieproduktion, dann ist das Augenwischerei. Das stört mich enorm.
Bosch steigt in Bamberg in die Serienfertigung von Brennstoffzellen für PW und LKW ein.
Sie sagen, dass man die 47 Millionen Verbrenner in Deutschland mit synthetischen Treibstoffen CO2-neutral betreiben könnte. Das ist doch höchstens Zukunftsmusik.
Das ist richtig, die Kapazitäten sind heute noch nicht ausreichen vorhanden, aber man muss doch mal einen ersten Schritt machen. Es gibt den sogenannten R33 Blue Diesel, der zu 33 Prozent aus erneuerbaren Treibstoffkomponenten besteht, womit man den CO2-Ausstoss um mindestens 20 Prozent senken kann. Dieser Ansatz lässt sich skalieren, dafür muss man aber einfach mal damit beginnen! Lässt man den synthetischen Treibstoffen keinen Raum, dann können sie sich auch nicht entfalten. Das ist ein klassisches Henne-Ei-Problem.
Vor einigen Wochen fand in der Schweiz im Rahmen des Nutzfahrzeugsalons Transport-CH das Mobility-Forum statt. Dort äusserte Bastien Girod, Nationalrat der Grünen Partei, die Ansicht, dass die E-Fuels gegenüber dem batterieelektrischen Antrieb schon verloren hätten. Wie sehen Sie das?
Innovationsfortschritte kann man nur machen, wenn die Politik die Entwicklung stützt. Momentan wird von dieser Seite eher blockiert. Ich erinnere daran, dass von den Autos, die heute auf der Strasse sind, in zehn Jahren immer noch rund 50 Prozent fahren werden. Man bekommt diese Fahrzeuge ja nicht einfach so weg. Auch 2030 werden noch mindestens 80 Prozent Verbrenner auf der Strasse unterwegs sein. Im Schnitt fährt man ein Auto 15 bis 18 Jahre – Zweit-, Dritt- und Viertbesitzer eingerechnet. Die Autos, die wir heute kaufen, sind also in zehn Jahren immer noch auf der Strasse. Wie soll das mit der E-Mobilität vor diesem Hintergrund funktionieren?
Dann würde es Ihrer Meinung nach Sinn machen, in E-Fuels zu investieren, weil man genau diese 80 Prozent damit betreiben könnte?
Sehen Sie, hier liegt der Knackpunkt! Wenn man das umsetzten wollen würde, kauft kein Mensch ein Elektrofahrzeug. Diese will man jedoch auf Teufel komm raus etablieren und dafür muss man das Alte schlechtreden.
Wo sehen Sie die deutsche Autoindustrie 2035?
Das weiss heute niemand. Ich glaube, dass es auf der Strasse einen Mix geben wird, aus heutigen Verbrennern, Hybriden, batterieelektrischen und wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen. Auch batterieelektrische Fahrzeuge haben ihre Daseinsberechtigung, gerade in urbanen Gegenden, wo kleine Reichweiten ausreichen. Aber wir werden das Thema Brennstoffzelle nicht vermeiden können, denn Trucks oder Langstreckenfahrzeuge kann man mit einer Batterie nicht sinnvoll betreiben. Und hier kommt noch ein weiteres Thema hinzu: Egal, ob Sie von synthetischen Kraftstoffen, von Batterien oder von Brennstoffzellen reden: Um die Technologien in Richtung CO2-Neutralität zu bewegen, brauchen wir erneuerbare Energien. Und bevor man sich das Standbein Verbrennungsmotor absägt, auf dem man seitens der Industrie gut aufgestellt ist, sollte man die Basis – also erneuerbaren Strom – für diese neue Technologie haben. Diese haben wir derzeit leider nicht. Und dann ergibt sich ein zusätzliches Problem: Der erneuerbare Strom muss irgendwo gespeichert werden, auch das machen wir heute noch nicht. Aus diesem Grund stehen bei uns auch die Windräder still, selbst, wenn Wind weht. Die elektrische Energie muss also umgewandelt werden in Medien, die diese auch speichern können. Ein solches Medium wäre Wasserstoff für das Befeuern einer Brennstoffzelle oder synthetische Kraftstoffe für das Betreiben eines Verbrennungsmotors. Die Batterie eines Elektrofahrzeugs ist für die Speicherung von Energie denkbar schlecht geeignet, vor allem, wenn es um die Speicherung grosser Energiemengen geht. Zum einen erfordert das einen grössere und damit schwerere Batterie, zum anderen geht beim Ladevorgang Energie verloren, insbesondere bei hoher Ladegeschwindigkeit.
Die Robert Bosch GmbH ist der grösste Arbeitgeber der Stadt Bamberg.
Deutschland zahlt jedes Jahr hunderte Millionen Euro Entschädigungszahlungen an die Betreiber von Windkraftwerken, weil diese zu Spitzenzeiten ihren Strom nicht in die Netze einspeisen können.
Korrekt. Wenn Sie Windräder stillstehen sehen, dann liegt das nicht daran, dass kein Wind weht, sondern weil die Räder so in den Wind gestellt sind, dass sie keinen Strom produzieren. Warum? Weil das Netz diesen gar nicht aufnehmen kann. Energie zu erzeugen und zu speichern, ist die Lösung. Und hier kommen wieder synthetische Treibstoffe ins Spiel. Um sie herzustellen, braucht es Wasser, bestmöglich Strom aus erneuerbaren Energien und CO2. Das bedeutet, Überschussstrom aus regenerativen Quellen, der heute nicht gespeichert werden kann, kann durch die Produktion von sogenannten E-Fuels langfristig speicherbar gemacht werden und damit helfen das Problem der Energiespeicherung zu beheben. Das kann die Batterie eines Elektroautos nicht leisten. Im Gegenteil, würden in Deutschland gleichzeitig 1 Million Autofahrer ihre E-Fahrzeuge tanken wollen, bräuchten wir das sechsfache der heutigen Netzkapazität – womöglich noch erneuerbar. Die ganze Elektro-Offensive ist von hinten bis vorne nicht durchdacht.
Wenn Sie jetzt so glühend für synthetische Treibstoffe argumentieren, könnte ich entgegen: Sie sind nicht glaubwürdig als Vertreter von Bosch. Sie sind Partei.
Ja, bei Bosch in Bamberg hängen wir zu 100 Prozent am Verbrenner. Aber wir brauchen den Verbrenner als Übergangstechnologie nach wie vor. Sie können nicht mit dem Finger schnippen und morgen fahren wir alle elektrisch, mit Brennstoffzellen oder E-Fuels. Diese Transformation braucht Zeit. Wir müssen das Bestehende optimieren und uns technologieoffen auf die neuen Themen ausrichten. Aber das geht nicht von heute auf morgen. Fakt ist, dass weltweit immer weniger Fahrzeuge verkauft werden. Das hängt einerseits mit der Mobilitätsoffensive im öffentlichen Verkehr zusammen und einem veränderten Mobilitätsverhalten in der Gesellschaft insgesamt, auf der anderen Seite weiss heute keiner, was er kaufen soll: Verbrenner? Hybrid? Elektro? Oder soll ich auf die Brennstoffzelle warten? Das alles hemmt das Wachstum.
Was auffällt: Wenn man auf Ihrer Website nach offenen Stellen sucht, findet man fast nur Praktikumsjobs. Ist das ein Ausdruck dieser Stagnation?
Von der Fertigungstiefe her arbeiten bei uns ungefähr zehn Personen am Diesel, drei Personen am Benziner und in der Elektrifizierung noch eine. Damit ist Ihre Frage schon beantwortet: Die Elektrifizierung wird Arbeitsplätze kosten – und zwar neun von zehn. Dass es angesichts dieser Entwicklung wenig Sinn ergibt, Leute einzustellen, muss ich wohl nicht erklären. Wir haben erkannt, dass der Verbrenner irgendwann endlich ist und wir uns auf neue Wege machen müssen. Aber ich kenne kein Erzeugnis, das in absehbarer Zukunft so viel Beschäftigung generiert wie der Diesel. Das ist fatal – für uns und für die gesamte Automobilindustrie.
Kommentar hinzufügen
Kommentare
R. Brogli 15. Januar 2020 - 14:59
Dieter Bruppach 17. Januar 2020 - 22:51